Fenstergucker-„Splitter“

Frühere Ansicht der Engstelle in der Kirchengasse. Der Fenstergucker rief unter dem Deckmantel der Anonymität zum Schleifen eines Hauses auf.

Eine Kunstfigur (und eine solche ist der Haager „Fenstergucker“) darf normalerweise ziemlich viel. Das gilt allerdings nicht, wenn es sich beim Autor um einen Politiker handelt. Wir haben ein Anrecht darauf zu wissen, was die von uns gewählten Menschen vertreten.

Darum geht es in diesem Beitrag:

  • Die ÖVP Haag am Hausruck hat mit ihren „Fenstergucker“-Gedichten über Jahre ein absolutes politisches No-Go begangen. Sie hat eine Kunstfigur (den fiktiven Dichter „Fenstergucker“) in anonymen Gedichten für parteipolitische Zwecke missbraucht.
  • Mindestens ein Teil Gedichte bzw. wahrscheinlich sogar alle Gedichte stammen aus der Feder des Haager Bürgermeisters. Dieser Artikel zeigt anhand einiger Beispiele auf, was an seinen Gedichten problematisch ist.

Es spricht grundsätzlich nichts dagegen, dass ein Bürgermeister dichtet – wenn er dies mit Namen tut und wenn er dabei die Menschen in seinem Ort, zu deren Schutz er verpflichtet ist, respektvoll behandelt.

Kunstfiguren sind nicht dazu da, dass Politiker:innen mit ihrer Hilfe Meinungen kundtun oder sich Frust vom Leib schreiben. Für beides haben sie andere – transparente, ehrliche und wertschätzende – Mittel zur Verfügung. Es ist zumutbar für sie, dass sie diese auch nutzen.

Aufruf zum Schleifen eines Privathauses

August 2009

Kommentar:

Der Haager Bürgermeister ist der Bürgermeister für alle Bürger:innen von Haag. Er kann nicht einzelne Leute von Haag angreifen. Das widerspricht seinem Grundauftrag.

Es ist ein No-Go für einen Bürgermeister, den Abriss eines Privathauses in seiner Gemeinde zu fordern, weil es ihm nicht gefällt. Dazu kommt: Auch das angeführte Sicherheitsargument ist für mich nicht nachvollziehbar. Für die Lösung von Sicherheitsproblemen aufgrund überhöhter Geschwindigkeiten im Ortsgebiet (die in Haag im Übrigen auch an breiteren Straßenstellen bestehen) gibt es bessere Methoden.

In der ersten Amtszeit des Bürgermeister (2009-2015), in der der Anblick eines Privathauses für ihn ein Problem war, wurde ein neues örtliches Entwicklungskonzept erarbeitet. Auf seiner Grundlage wurde später Grünlandgrundstücke des Bürgermeisters umgewidmet. Die Umwidmung brachte dem Bürgermeister bei ihrem Verkauf einen beträchtlichen Gewinn. Auf einem steht jetzt das Biomin-Werk, ein nicht gerade schöner Anblick.

(Eigen-)Lob für sich als Bürgermeister

(…)
März 2010

(Eigen-)Lob für Kirchenplatz

September 2022
Dezember 2022 (zu Pacht Punschstand durch Gemeinde)

Kommentar:

Es ist völlig ok, etwas das die Gemeinde gemacht hat, als besonders einzustufen. Wenn es sich dabei jedoch um Eigenlob in anonymer Form handelt – dann hinterlässt das einen sehr schalen Beigeschmack.

Meinung zur Arbeit des Haager Gemeinderats

So beurteilt der Haager Bürgermeister die Arbeit der Haager Gemeinderatsmitglieder, wenn er anonym als „Fenstergucker“ schreibt. (Juli 2021)

Meinung zu Gemeinderatssitzungen

März 2010

Seitenhieb auf FPÖ

Seitenhieb auf FPÖ in Gedicht über den Kirchenplatz (April 2022)

Seitenhieb auf Parteien

Mai 2009

Kommentar:

Die ÖVP Haag/H. – die dieses Gedicht in ihrer Parteizeitung abdruckte – verschenkte im Wahlkampf 2021 so viel Wahlpropaganda und -geschenke, dass sie dafür einen eigenen Papiersack brauchte. Dazu dazu gab es zusätzliche dicke Hochglanz-Wahlzeitungen, eine Plakatständer-Flut, ein Riesen-Plakat an der Umfahrung und drei Termine bei denen Leberkäs-Semmeln und Bier verschenkt wurden. Für mich ein Paradebeispiel für Profilierung durch Prasserei in Wahlkampf – und ein trauriges Beispiel dafür, was rauskommt, wenn Politiker:innen sich völlig verrennen in Bezug auf das was sie ursprünglich angestrebt haben.

Nach Ablehnung der Umwidmung eines seiner Grundstücke

September 2022

Kommentar:

Dieser Gedicht-Ausschnitt betrifft eine Entscheidung, bei der ein Grundstück des Bürgermeisters von Grünland in gemischtes Bauland (Möglichkeit Errichtung Betriebe und Lagerhallen) umgewidmet worden wäre – was ihm einen bedeutenden finanziellen Gewinn gebracht hätte. Die Widmung wurde von der Mehrheit des Gemeinderats abgelehnt. Das ist seine Reaktion darauf. Das im Gedicht angesprochene Unternehmen ging im Übrigen später in Konkurs.

Verbreitung von Unwahrheiten

September 2023

Kommentar:

Es war an der Luisenhöhe keine Hebebühne im Einsatz. Es war auch niemand außer Rand und Band und machte „hibsch a Wetter“, das jeder in der Umgebung sehen oder hören hätte können. Es wurden vielmehr händisch, d.h. nahezu geräuschlos, von einer Person die Grundgrenze gemalt und ein paar Äste händisch (ohne Motor) geschnitten. In der Zeit stand – zufällig und völlig unabhängig davon – in der Nähe eine Hebebühne, die eine Firma übers Wochenende dort geparkt hat. Es ist durch GPS-Daten der Hebebühne belegt, dass sich die Hebebühne nicht bewegte während die Äste händisch geschnitten wurden.

September 2023

Kommentar:

Die Kunstfigur behauptet im Gedicht, dass es eine nächtliche Ruhestörung gegeben habe, die sie beobachtet hat und die für die gesamte Nachbarschaft hörbar gewesen sei. Diese fand in Wirklichkeit nie statt (Details siehe hier).

Der Bürgermeister wohnt am anderen Ortsende – konnte das Beschriebene also nicht selber beobachtet zu haben. Der Haager Bürgermeister verbreitet also – nachweislich in seinen Gedichten ihm zugetragene Dinge, ohne zu prüfen, ob sie stimmen = falsche Gerüchte. Das wirft zwei Fragen auf:

  • Wie glaubwürdig sind die sonstigen Aussagen des Haager Bürgermeisters?
  • Basieren die Handlungen des Haager Bürgermeisters auch über dieses Gedicht hinaus auf ihm zugetragenem Gerede – das er nicht auf Wahrheitsgehalt prüft?

Identitäts-Verschleierung

Der Inhalt des Fenstergucker-Gedichts macht(e) eine Autorenschaft durch den Bürgermeister sehr unwahrscheinlich.

März 2009
März 2010
April 2014
Dezember 2015
März 2021

Kommentar:

Die 3. Person – so wie auch die ganze Art in der die Gedichte geschrieben sind – impliziert, dass die Gedichte ein Blick von außen auf die Politik sind und sie NICHT ein Politiker schreibt.

Das ist aus folgendem Grund problematisch: Der Bürgermeister präsentiert seine Meinung so, als käme sie von jemand anderen bzw. aus der Bevölkerung. Er kann sich dann aufs Volk berufen.

Die Gedichte sind so geschrieben, als wolle der Bürgermeister Menschen abholen, die nicht wahnsinnig politik-affin sind. Es ist legitim solche Menschen abholen zu wollen – aber nicht indem man seine eigene Identität als Politiker verschleiert. In einem Fenstergucker-Gedicht schreibt der „Fenstergucker“ sogar, er sei politisch nicht recht interessiert:

März 2009

Der Ausschnitt ist eingebettet in:

„Parteitag von der ÖVP, I denk ma nu, „Ohje, ohje“ – auf die Idee, dass so etwas der ÖVP-Bürgermeister schreiben könnte, muss mensch erst mal kommen.

Fazit

Der Haager Bürgermeister ist 2009 mit dem Versprechen angetreten, dass er auf sachliche und konstruktive Art etwas bewegen will. Seine Worte waren: „es darf nicht (…) persönlich und unfair werden.“ Diese Worte scheint er leider vergessen zu haben. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Es besteht also die Hoffnung, dass diese Aufstellung dem Haager Bürgermeister wieder in Erinnerung ruft, welche Ziele er sich für seine politische Arbeit gesetzt hat.

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Quellen:
Die Zitate stammen aus den „Fenstergucker“-Gedichten verschiedener Ausgaben des „Hallo Haag“ zwischen 2009 und 2023. Das Datum der Ausgabe ist jeweils unter dem Zitat angeführt. „Hallo Haag“ ist die Parteizeitung der ÖVP Haag am Hausruck. Sie erscheint normalerweise viermal pro Jahr, in Vorwahlzeiten in der Regel öfter.

Zum Weiterlesen:

Was darf eine Kunstfigur. 23.03.2024. Gedanken zur politischen Situation in Haag anhand des Fenstergucker.

So war’s – eben nicht. 13.03.2024. Kommentar zur ausweichenden Stellungnahme des Bürgermeisters zu den Fenstergucker-Gedichten

Was ist & darf Satire. 04.01.2024. Diskussion der Grundanforderungen an eine Satire – vor dem Hintergrund der falschen Bezeichnung des „Fensterguckers“ als Satire – was er gar nicht sein kann.

Entschuldigen – so geht’s (nicht). 22.12.2023. Aufzeigen der Unterschiede zwischen Entschuldigung und Beschönigung – mit realen Beispielen aus Haag am Hausruck.

Klugheit. 04.11.2023. Der Weg zu einer wirklichen Entschuldigung.

Wenn sie wissen, was sie tun. 30.10.2023. Aufruf an die ÖVP Haag/H., die richtigen Konsequenzen aus den Verfehlungen des Fenstergucker zu ziehen.

So war’s (im Vergleich). Das Gedicht vom September 2023 in voller Länge – mit nebenstehender Beschreibung dessen, was wirklich passiert ist.

So war’s (wirklich). Erklärung der Entstehungsgeschichte der Situation, die im Gedicht beschrieben wird.

Angst vor Machtverlust korrumpiert

Macht korrumpiert auch die Ehrlichen

Macht korrumpiert auch die Ehrlichen – Standard

Veröffentlichung:

Änderungen:

  • 25. März 2024. Korrektur Fehler: Entfernung Beitragsbild, da Haus zu dessen Schleifen der „Fenstergucker“ aufrief mittlerweile abgetragen ist – also auf dem Foto aus dem Jahr 2024, das vorher geschaltet war, nicht zu sehen war.
  • 26. März 2024: Präzisierung der Umwidmungskategorie bzw. korrekte Formulierung gemäß oö. Raumordnungsgesetz (statt Begriff „Gewerbegebiet“: Die vom Gemeinderat abgelehnte Umwidmung eines Grundstücks des Haager Bürgermeisters: Beantragt war eine Umwidmung in Bauland in Form von gemischtem Baugebiet (vorher. Dies Widmung gemischtes Baugebiet ermöglicht eine gewerbliche Nutzung und ist mit einer deutlichen Wertsteigerung des Grundstücks verbunden.
  • 6. Juni 2024: Schalten des Beitrags auf „privat“
  • 5. Juli 2024: Beitrag wird wieder öffentlich geschaltet.
  • 28. Juli 2024: Update Abschnitt „Änderungen“: Information über Änderungen vom 6. Juni & 5. Juli 2024.

Letzte Änderung: