Wildtierweg Haag – Böhmerwald

Durch Haag verläuft ein bedeutender überregionaler Wildtierkorridor

Vom Hausruck über Eidenedt – Hinteregg – Pramwald verläuft ein europäisch bedeutender Wildtierkorridor. Der Haager Ortsplanung steht vor der spannenden Aufgabe, daran mitzuwirken, dass dieser Korridor seine Funktion in Zukunft weiter bzw. wieder erfüllen kann. Es gibt einiges zu tun – und einiges zu unterlassen. Betroffen sind u.a. gewerbliche Nutzungen im Einzugsbereich Pramwald.

Ökologische Raumplanung ist ein Gebot der Stunde. Was lag also näher, als einer Fachperson den Auftrag zu geben, alle verfügbaren Fakten zu Wildtierlebensräumen und ökologischer Raumplanung in Haag am Hausruck zu sammeln. Genau eine solcher Auftrag für ein Gutachten erging drum Anfang Jahr von mir an eine Wildbiologin.

Dabei ging es u.a. darum, mal zu schauen: Haben die verschiedenen betrieblichen Erweiterungspläne im derzeitigen örtlichen Entwicklungskonzept (ÖEK) Auswirkungen auf die Wildtierlebensräume in Haag bzw. sind diese Wildtier-Lebensräume ein bedeutendes Thema in Bezug auf die Raumordnung in Haag? Das Ergebnis: Ja, und ob!

Der Rothirsch – eine Leittierart des europäischen Wildtierkorridors, der durch Haag führt (Urheberrecht Foto: Luc Viatour / https://Lucnix.be)

In der ökologischen Raumplanung werden häufig sogenannte „Leitarten“ oder „Schirmarten“ herangezogen, um aufzuzeigen, welche Entwicklung es braucht, damit uns unsere Tier- und Pflanzenwelt in ihrer für uns alle wichtigen Vielfalt erhalten bleibt. Grob gesagt kann man sich das so vorstellen: Wenn man einen Regenschirm (= Lebensraum) hat, der das größte Tier trocken hält, dann haben auch die ganzen kleinen Tiere unter dem Regenschirm Platz (= in dem Lebensraum) und werden sozusagen automatisch mitgeschützt.

Eine gut durchdachte Raumordnung schützt ganz viele Tier- und Pflanzenarten, häufige Tierarten, wie z.B. die hier abgebildeten Rehe (in der Nähe des Hohen Kreuzes), aber auch seltenere Tiere wie z.B. Luchse.

Für den Hausruck- und Kobernaußerwald heißt das: Wenn es gelingt, die Hirsche im Kobernaußerwald zu erhalten, dann ist auch das Überleben vieler anderer Tierarten gesichert. Auch Pflanzenarten profitieren – durch den Transport von Samen oder Früchten im Fell oder Verdauungstrakt. Aus Sicht von Haag: Wenn der Wildtierkorridor für den Hirsch funktioniert, geht es ganz vielen Tieren in Haag automatisch gut – sozusagen als Nebeneffekt.

Durch Haag verläuft ein bedeutender überregionaler Wildtierkorridor

Der Haager Hausruck- und Pramwald sind Teil eines überregionalen Wildtierkorridors, der den Böhmerwald mit dem Alpenraum verbindet. Es wird vermutet, dass es sich bei diesem Korridor um die aktuell wichtigste Nord-Süd-Verbindung durch Oberösterreich handelt (siehe „Wildtierkorridore in Oberösterreich„). Aus tierökologischer Sicht ist die Vernetzung der großen Wald- und Gebirgsregionen unverzichtbar.

Der Schutz des Wildtierkorridors ist auch eine gesetzliche Notwendigkeit : Die Waldkomplexe des Kobernaußer- und Hausruckwaldes stellen gemäß dem in Auftrag gegeben Gutachten faktische Natura2000-Gebiete dar, zu deren Schutz die Bundesrepublik Österreich als EU-Mitgliedsstaat, bzw. das Bundesland Oberösterreich entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen müsste, um eine Verschlechterung des Zustandes der betroffenen Schutzgüter (Lebensraumtypen und Arten von gemeinschaftlicher Bedeutung) zu verhindern.

Auf Haag heruntergebrochen heißt das: bei der örtlichen Raumplanung verdient die Erhaltung und Wiederherstellung der Lebensraumqualität und Durchgängigkeit dieses Korridors höchste Priorität.

Straßennetz und Wanderkorridore im Gebiet der Marktgemeinde Haag/H.

Die Durchlässigkeit des Wildtierkorridors wird u.a. durch das überregionale Straßennetz beeinträchtigt. In der Wildtierkorridorstudie das Landes Oberösterreich wird darum auch festgehalten, dass mittelfristig, die Errichtung einer Wildtierpassage über die B141 (Rieder Straße) erforderlich ist.

Von ihrer Lager her, kommt den beiden Gemeinden Haag und Geboltskirchen jeweils eine Schlüsselstellung zu, um die Wanderkorridore und den überregionalen Biotopverbund sicherzustellen.

Wanderkorridore im Gemeindegebiet Haag mit bereits fehlender (rot) oder beeinträchtigter Funktionalität (gelb) (Quelle: www.doris.at).

Die Funktionsfähigkeit der Wanderkorridore ist im Gemeindegebiet von Haag bereits teilweise beeinträchtigt oder fehlt. Es ist daher ein wichtiges Ziel für die örtliche und überörtliche Raumplanung, diese Funktionsfähigkeit wiederherzustellen und zusätzliche Beeinträchtigungen unbedingt zu vermeiden.

Kartierter Wanderkorridor auf dem Gemeindegebiet von Haag/H. (Betriebsbaugebiete: violett)

Das betrifft nicht nur den unmittelbaren Korridor. Im Gutachten zur Lebensraumsituation und ökologischen Raumplanung in Haag am Hausruck wird in Bezug auf Bautätigkeiten festgehalten: „Bei der Umsetzung des erforderlichen Biotopverbundsystems im Rahmen örtlicher Entwicklungskonzepte und Planungen dürfen nicht nur die definierten Korridorareale nicht bebaut werden. Es ist auch auf die Erschließung von Bebauungs- und Gewerbegebieten zu berücksichtigen, dass diese durch Erschließungsstrukturen (Zuwege etc.) eine weitreichende Wirkung auf die Korridorsysteme haben. Verändertes Verkehrsaufkommen, unterschiedliche tageszeitliche Nutzungen (z.B. Abend-, Nachtbetrieb) können Barrierewirkungen aufbauen.“

In Haag betrifft das in Bezug auf Bebtriebsbaugebiete v.a. die im derzeitigen ÖEK vorgesehene Erweiterung des Betriebsbaugebietes Reischau in Richtung Pramwald.

Bzgl. Siedlungsgebieten wird in der Wildtierkorridorstude des Landes OÖ aus dem Jahr 2012 folgender Handlungsbedarf festgehalten: „Keine Siedlungsausweitung im Bereich Hinteregg, Leiten und Eidenedt. Abschirmung der Siedlungen, Entwicklung wirksamer Vernetzungsstrukturen.“

Im Bereich des Tourismus und Freizeit liegt die Luisenhöhe unmittelbar am Korridor. Auch hier gilt es also, bei Diskussionen über deren zukünftige Nutzung, den Auswirkungen auf die Wildtierlebensräume achtsam Augenmerk zu schenken. Das betrifft auch Pläne für Nutzungen des Hausruckwaldes für Mountainbikestrecken.

Als Leitlinie ist im Gutachten zusammenfassend festgehalten: „Vor allem in den vorgesehenen Korridor-Lebensräumen und potentiellen Grünbrücken-Standorten im angrenzenden Pramwald sowie nördlich und südlich davon sollten bereits jetzt vorsorglich ruhige Äsungsflächen und Ruhezonen eingerichtet werden. Dies ist vor allem bei der Planung und Trassierung von weiteren Erschließungen und Freizeit-Infrastruktur (z.B. Mountainbike-Strecken) zu beachten.“

Das Alles sind sowohl herausfordernde, als auch tolle News: Die örtliche Raumplanung in Haag bietet die Gelegenheit, an der Erhaltung, Verbesserung und Wiederherstellung der bedeutendesten Nord-Süd-Verbindung für Wildtiere in Oberösterreich mitzuwirken. In dem Sinn können die Gemeinderatsmitglieder bei der geplanten Überarbeitung des örtlichen Entwicklungskonzeptes ÖEK Geschichte etwas ganz Großes bewirken – das nicht nur Haag lebenswerter macht, sondern weit über die Grenzen von Haag ausstrahlt.

Veröffentlicht am 10. Juni 2023

Zum Weiterlesen und Nachschlagen

Gutachten zur Lebensraumsituation und zur ökologischen Raumplanung in Haag am Hausruck. Büro für Wildbiologie Österreich, Dr. Christine Miller, Juni 2023

Wildtierkorridore in Oberösterreich. Land Oberösterreich. Oö. Umweltanwaltschaft, 2012

Dokumentation Funktionskontrolle von Wildtierpassagen. Schweizer Bundesamt für Strassen ASTRA. 2019


Quelle der Abbildungen ohne zusätzliche Quellenangaben:

Gutachten zur Lebensraumsituation und zur ökologischen Raumplanung in Haag am Hausruck. Büro für Wildbiologie Österreich, Dr. Christine Miller, Juni 2023