Ich gelobe

Ich gelobe, die Bundesverfassung und die Landesverfassung sowie alle übrigen Gesetze und Verordnungen der Republik Österreich und des Landes Oberösterreich gewissenhaft zu beachten, meine Aufgabe unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen, das Amtsgeheimnis zu wahren und das Wohl der Gemeinde nach besten Wissen und Gewissen zu fördern.

Gelöbnis, das alle Haager Gemeinderatsmitglieder abgelegt haben.

In Bezug auf Bauland-Umwidmungen in Haag/H. ergibt das von den Haager Gemeinderatsmitgliedern abgelegte Gelöbnis folgende interessante Situation:

  • Haag hat eine Baulandreserve von 16.71 ha gewidmetem, unbebautem Bauland. Das ist viel. Sehr viel.
  • Gleichzeitig widmet der Gemeinderat weiter neu Grünland in Bauland um. Das ist erstaunlich. Sehr erstaunlich.

Diese Kombination widerspricht nämlich klar dem Wohl der Gemeinde – das die Gemeinderatsmitglieder gelobt haben, zu fördern.

Boden & Wohl der Gemeinde

Unser Boden ist ein unvermehrbares, begrenztes Gut. Er erfüllt vielfältige Leistungen im öffentlichen Interesse – d.h. zum Wohl der Gemeinde. Das sind:

  • Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen
  • Produktionsgrundlage unserer Lebensmittel
  • Raum für die Wanderung von Tieren und Pflanzen
  • Wasserspeicher (Hochwasserschutz)
  • Kohlenstoffspeicher (Klimaschutz)
  • Schadstofffilter
  • Klimaanlage
  • Archiv

Für das Wohl der Gemeinde ist es wichtig, dass genügend Boden für alle Funktionen zur Verfügung steht. In anderen Worten: Es ist wichtig, die verschiedenen öffentlichen Interessen fundiert & sorgfältig miteinander abzuwägen.

Wohl der Gemeinde: Abwägung für Haag

Haag/H. hat bei der Abwägung der öffentlichen Interessen in der Ortsplanung noch Luft nach oben.

Eine Abwägung der öffentlichen Interessen in Bezug auf den Boden in Haag/H. ergibt ganz klar: Es wurde einerseits bereits eine große Fläche für Wohnraum verbaut und andererseits wurde zusätzlich bereits eine zusätzliche große Fläche als Baugrund für zukünftige Wohnbauten reserviert bzw. gewidmet.

Es wurde in Haag also bereits genug Boden für Wohnraum zweckgewidmet. Es ist im öffentlichen Interesse, dass dieser Boden als Wohnraum genutzt und der verbleibende Boden für die anderen Leistungen des Bodens genutzt wird. So kann eine hohe Lebensqualität und Lebensvielfalt in Haag erhalten werden.

Leerstände / Unternutzungen von Gebäuden: Es ist im öffentlichen Interesse – also im Interesse des Wohls der Gemeinde – dass bestehende Gebäude bestmöglich als Wohnraum genutzt werden. Dort wo Gebäude leerstehen oder unternutzt sind, besteht Handlungsbedarf.

Unbebautes Bauland: Es ist im öffentlichen finanziellen Interesse – also im Interesse des Wohls der Gemeinde – dass die bestehenden Baulandreserven, die innerhalb der De-Fakto-Siedlungsgrenzen liegen – bebaut werden: Das Bauland ist bereits erschlossen (Kanal, Abwasser, Straße) und eine möglichst hohe Siedlungsdichte ist sehr wichtig für zukunftsfähige Gemeinden mit hoher Lebensqualität (weniger Versiegelung = weniger Hochwasser und damit auch weniger Hochwasserschäden; mehr Baudichte = größere Rentabilität des öffentlichen Verkehrs, weniger Straßenerhaltungskosten usw.).

Gemeinderat kann & muss handeln

Par. 46 des Oö. Gemeindeordnung: Alle Gemeinderatsmitglieder – und natürlich auch alle Fraktionen – können Maßnahmen für den Bodenschutz einbringen.

Die Gemeinderatsmitglieder müssten – im Sinne des Wohls der Gemeinde, dessen Förderung sie gelobt haben – alle Möglichkeiten ausschöpfen, die sie haben, um das bereits gewidmete, unbebaute Bauland (die Baulandreserve) zu mobilisieren.

Jedes Gemeinderatsmitglied kann an den Gemeinderat einen Antrag für solche Maßnahmen stellen. Ein solcher Antrag muss gemäß Oö. Gemeindeordnung vom Bürgermeister verpflichtend auf die Tagesordnung gesetzt und vom Gemeinderat behandelt werden.

Gemeinderat handelt nicht (genug)

Bis dato fehlen Anträge von Seiten der Gemeinderatsmitglieder zur Mobilisierung der existierenden Baulandreserven. Sie schöpfen also ihre diesbezüglichen politischen Möglichkeiten nicht aus. Das ergibt eine Situation in der der Haager Gemeinderat die finanziellen Einzelinteressen derjenigen Personen fördert, die gewidmete, unbebaute Baugrundstücke besitzen – anstatt das Wohl der Gemeinde.

Dazu kommt: Wenn der Gemeinderat Grundstücke außerhalb der Siedlungsgrenzen umwidmet, obwohl innerhalb der Siedlungsgrenzen große Reserven an gewidmetem, unbebautem Bauland bestehen, so sinkt der Druck zur Mobilisierung des bereits gewidmeten, unbebauten Baulands. Eine möglichst umweltverträgliche Siedlungsentwicklung wird also gebremst statt gefördert. Das schadet als dem Wohl der Gemeinde – das alle Gemeinderatsmitglieder gelobt haben zu fördern – nochmal zusätzlich.

Finanzielle Eigeninteressen von Grundbesitzer:innen im Gemeinderat

Der Wert von Bauland in Haag/H. ist gemäß Statistik Austria von 49,1 Euro/m2 im Jahr 2015 auf 72.8 Euro/m2 im Jahr 2022 gestiegen. Das ist eine Wertsteigerung von 67%
pro m² bzw. 23.700 Euro pro 1000 m².

Dies zieht folgende finanzielle Eigeninteressen für Grundbesitzer:innen im Gemeinderat nach sich:

  • Wenn ein Gemeinderatsmitglied unbebautes Bauland besitzt, so ist es im finanziellen Eigeninteresse dieses Mitglieds, dass dieses möglichst lang unbebaut bleibt – weil es dann weiter im Wert steigt.
  • Wenn ein Gemeinderatsmitglied Grünland besitzt, so ist es im finanziellen Eigeninteresse diese Mitglieds, dass dieses in Bauland umgewidmet wird – weil es dadurch bedeutend an Wert gewinnt.

Gemeinderatsmandat & Besitz von gewidmetem, unbebautem Bauland

Ein Gemeinderatsmitglieds, das ein als Bauland gewidmetes, unbebautes Grundstück besitzt, hat das finanzielle Eigeninteresse, dass keine Maßnahmen zur Baulandmobilisierung getroffen werden, die zusätzliche finanzielle Abgaben für unbebautes Bauland nach sich ziehen.

Wenn über Maßnahmen abgestimmt wird, die die Baulandmobilisierung fördern, so müssen sich solche Gemeinderatsmitglieder zwangsläufig zumindest enthalten – weil sie aus finanziellem Eigeninteresse befangen sind. Wenn sie Ihr Gelöbnis ernst nehmen, so müssen sie sich aus meiner Sicht sogar nicht enthalten sondern für solche Maßnahmen stimmen – weil sie ja gelobt haben in ihrer Funktion als Gemeinderatsmitglied das Wohl der Gemeinde zu fördern – und nicht ihre finanziellen Eigeninteressen.

Es ist auch im finanziellen Eigeninteresse eines solchen Gemeinderatsmitglieds (das gewidmetes, unbebautes Bauland besitzt), dass Grünland außerhalb der Siedlungsgrenzen umgewidmet wird – weil so der Druck für Maßnahmen zur Mobilisierung des eigenen Bauland sinkt, es so möglichst lange unbebaut bleibt und eine grösstmögliche Wertsteigerung des eigenen Grundstücks erreicht wird.

Wenn ein solches Gemeinderatsmitglied für eine Umwidmung von Grünland außerhalb der Siedlungsgrenzen in Bauland stimmt – obwohl es selber ein Baulandgrundstück besitzt, das bereits gewidmet ist und das es als Bauland zur Verfügung stellen könnte – so stimmt es für sein finanzielles Eigeninteresse anstatt für das Wohl der Gemeinde. Das geht gar nicht anders.

Haager Gemeinderatsmitglieder, die ein gewidmetes, unbebautes Baugrundstück besitzen, müssen sich also bei Abstimmungen über Umwidmungen von Grünlandgrundstücken in Bauland zwingend enthalten.

Wenn ein Gemeinderatsmitglied das Wohl der Gemeinde nicht über seine finanziellen Eigeninteressen stellen möchte, so kann es von seinem Amt zurücktreten. Als Privatpersonen ohne politische Mandat kann es eigene Interessen zu verfolgen, ohne in Konflikt mit einem Gelöbnis zu kommen.

Gemeinderatsmandat und Besitz von Grünland

Ein Umwidmung von Grünland in Bauland ist wie bereits erwähnt mit einer deutlichen Wertsteigerung verbunden. Das ist aus meiner Sicht bedauerlich (weil ich persönlich Grünland als genauso wertvoll einstufe wie Bauland, wenn nicht sogar wertvoller). Es ist aber leider schlicht und einfach Fakt. Ein Gemeinderatsmitglied, das einen Antrag auf Umwidmung von Grünland in Bauland stellt fördert sein finanzielles Eigeninteresse. Das geht gar nicht anders.

Nun wird zwar durchaus auch Grünland mehr wert, aber: Wenn die Werte von Grünland in einem Ort steigen, so ist das leider oft nicht damit begründet, dass die Menschen den Boden auf dem unsere Lebensmittel wachsen nun mehr schätzen lernen und mehr Geld dafür ausgeben wollen, sondern darin, dass Boden als „Bauerwartungsland“ gesehen bzw. gekauft wird: Boden wird zu höheren Preis gekauft, also Grünland eigentlich wert ist, weil damit gerechnet wird, dass es später als Bauland umgewidmet wird. Gerade Haag ist durch seine Lage an der Autobahnabfahrt für solche Bauerwartungsland-Käufe prädestiniert. Das treibt die Grünlandpreise in die Höhe – aufgrund von Bauwünschen. Kurz: Grünland wird leider v.a. dann mehr wert, wenn die Aussicht darauf besteht, dass es bebaut werden kann. Für Landwirt:innen wird es dann unerschwinglich – so es denn überhaupt als Grünland verkauft wird. Das erschwert die Ausgangslage für eine möglichst hohe örtliche Lebensmittelproduktion – die im öffentlichen Interesse ist.

Dazu kommt: Wenn außerhalb der De-Fakto-Siedlungsgrenzen ein Antrag für die Umwidmung eines Grünlandgrundstückes stellt, so wird damit automatisch auch einen Antrag auf Wertsteigerung der umliegenden Grundstücke gestellt – weil diese bei einer erfolgreichen Umwidmung ebenfalls mehr Chancen auf Umwidmung haben. Ein solcher Antrag ist also auch im finanziellen Eigeninteresse der Besitzer:innen der Grundstücke rundherum. Wenn die Person, die den Antrag stellt Gemeinderatsmitglied ist, so ergibt das eine aus meiner Sicht unlösbare Situation. Sie fördert damit die Interessen einzelner Personen in der Gemeinde (durch Wertsteigerung von deren Grundstücken) – sollte aber als Gemeinderatsmitglied das Wohl der Gemeinde fördern. Ein unauflösbarer Interessenskonflikt, so lange eine Person ein Gemeinderatsmandat hat.

Weiters ist es so: Durch eine Umwidmung außerhalb der De-Fakto-Siedlungsgrenzen sinkt – wie bereits oben erwähnt – der Druck auf die Bebauung der bereits gewidmeten, unbebauten Flächen innerhalb der Siedlungsgrenzen.

Kurz: Ein Antrag eines Haager Gemeinderatsmitglieds auf Umwidmung von eigenem Grünland in Bauland zieht zahlreiche negative Folgen für das Wohl der Gemeinde und unlösbare Konflikte zwischen Eigen- bzw. Einzelinteressen und öffentlichen Interessen nach sich. Ein solcher Antrag kann also während der Amtszeit nicht gestellt werden. Er ist nicht mit dem Gelöbnis der uneigennützigen Förderung des Allgemeinwohls vereinbar.

Wenn ein Gemeinderatsmitglied Grünland in Bauland umwidmen möchte, so hat es die Möglichkeit, von seinem Amt zurückzutreten. Als Privatpersonen ohne politische Mandat kann es eigene Interessen zu verfolgen, ohne in Konflikt mit einem Gelöbnis zu kommen.

Für eine Bodenpolitik zum Wohl von Haag

Wenn Haager Gemeinderatsmitglieder im Bereich Bodenpolitik das Wohl der Gemeinde fördern wollen (so wie sie es gelobt haben zu tun), so müssen sie

  1. Anträge für die Mobilisierung der Baulandreserven und die Förderung der Nutzung von Leerständen in den Gemeinderat einbringen bzw. für solche Anträge stimmen, wenn andere Gemeinderatsmitglieder sie einbringen.
  2. Keine Anträge auf Umwidmung von Grünland in ihrem Besitz in Bauland stellen. Wenn sie das tun möchten, so müssen sie von ihrem Amt zurücktreten. Dann können sie eigene Interessen zu verfolgen, ohne in Konflikt mit einem Gelöbnis zu kommen.
  3. Anträge auf zusätzliche Umwidmung von Grünland in Bauland ablehnen, so lange nicht sämtliche Maßnahmen zur Mobilisierung der Baulandreserve ausgeschöpft sind.

Dazu braucht es Gemeinderatsmitglieder, die transparent offenlegen, dass sie gewidmetes, unbebautes Bauland besitzen. HIer besteht noch Nachholbedarf.

Es braucht einen Bürgermeister, der die Weisheit hat, sich einzugestehen, dass ein Antrag auf Umwidmung von Grünland in Bauland (außerhalb der De-Fakto-Siedlungsgrenzen) während seiner Amtszeit zu auflösbaren Konflikten zwischen Eigeninteressen und öffentlichen Interessen führt. Es ist unabdingbar für das Wohl, dass er seinen Antrag zurückzieht.

Es braucht eine Bevölkerung, die ein waches Auge auf die Gemeinderatsmitglieder hat und von ihnen die Umsetzung ihres Gelöbnisses einfordert.

Es braucht uns alle.

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Offenlegung:

Ich besitze ein als Bauland gewidmetes, unbebautes Grundstück in Haag am Hausruck. Es ist deswegen noch unbebaut, weil ich es als Grünland erhalten wollte. Ich unterstütze Maßnahmen zur Mobilisierung solcher Flächen.

Quellen & zum Weiterlesen:

Ein sehr gutes Planungsinstrument? 01.09.2024.

Schwarzbau im Grünland: Für ÖVP/FPÖ ok? 10.08.2024

Der Boden – ein Tausendsassa, Erstveröffentlichung am 06.08.2021, überarbeitet am 09.07.2023

Immobilien-Durchschnittspreise (mit Österreich-Karte der Baugrundstückspreise 2018-2023 nach Gemeinden). Statistik Austria, abgerufen am 17.09.2024

bodenpreise.at (Bauland- und Grünlandpreise). Immo United GmbH, abgerufen am 17.09.2024

Oö. Gemeindeordnung. Rechtsinformationssystem des Bundes. abgerufen am 17.09.2024

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