Geht auch (nicht) kürzer

ACHTUNG: Überzeichneter, selbstironischer “Bericht”

Ist es zu fassen: Nach mehr als 10 Jahren, mit einer nicht mehr genau eruierbaren Überzahl von Mails, die mehr Seiten haben als andere Wörter brauchen, gelobt Ü., sich in Zukunft kurz und knapp zu halten: In einer 250-seitigen Stellungnahme. Ist Haag noch von ihr zu retten?

Angefangen hat es im Dezember 2013. “Bereits das erste Schreiben war auffällig”, berichtet ein Langzeit-Gemeinderat. “Und zwar deswegen, weil es überhaupt geschrieben wurde. Die Frau hat bis heute nicht kapiert, dass man Probleme am Besten mit einem Gespräch bei einem Kaffee – oder eventuell Bier – löst, aber doch nicht bitte mit einem Brief! Schon gar nicht mit einem mehrseitigen!”

Tatsächlich ist in ganz Haag am Hausruck kein einziges Problem bekannt, dass durch eines der schätzungsweise über 10.000 Schreiben der Übeltäterin (kurz “Ü.”) gelöst wurde – oder bei dem ein Lösungsprozess auch nur ausgelöst wurde. Auslösen tun die Schreiben nur folgende Symptome: Augenverdrehen, Händeringen, Fassungslosigkeit und totale Verwirrung.

Ü. (54) scheint jegliches Problembewusstsein zu fehlen: “Wo ist das Problem? Nur weil ich 10 Seiten vollschreibe, für etwas, das der Durchschnittsmensch in einem Satz mit 10 Worten zusammenfassen kann, müssen die jetzt doch nicht so ein Aufsehen machen. Ich schreib halt gerne.” Was sollen wir dazu noch sagen?

Doch es ist nicht nur die Schreibfixiertheit an sich, die Probleme macht. Auch wie Ü. schreibt stößt auf totales Unverständnis. “Das was die schreibt ist mir zu hoch”, berichtet z.B. ein Gemeinderatsmitglied, “Kann sie sich nicht so ausdrücken, das ich es verstehe? Alles voller Fremdwörter! Kann die kein Deutsch? Die war doch hier in der Schule.” Die Stellungnahme von Ü. zu dieser Aussage kann hier leider nicht abgedruckt werden. Das Containerschiff mit den Wörterbüchern, die für die Übersetzung ihrer 105-seitigen Antwort mit 10.576 Fremdwörtern notwendig gewesen wären, wurde von Piraten aus Jemen gekapert. Die Piraten nahmen wie folgt Stellung: “Diese Frau textet uns seit Jahren mit irgendwelchen seitenlangen Mails zu völlig nebensächlichen Details zu. Wir haben die Wörterbücher abgefangen, damit wir (hoffentlich!) endlich verstehen, was sie von uns will.” Die Adressat:innen-Liste von Ü.`s Schreiben scheint lang zu sein.

Zurück nach Haag. Ein Lokalaugenschein bringt Bedenkliches zutage: Nicht nur dass und wie Ü. schreibt sorgt für Kopfschütteln. Auch die Themen haben es in sich: In Bezug auf die Gemeindeverwaltung scheint für Ü. generell kein Detail zu klein zu sein. “Wozu muss die wissen, wann bei uns die öffentlichen WC geöffnet sind? Die wohnt ja gar nicht hier?”, wundert sich die Gemeindekatze. “In meiner Mailbox landete mal ein zwanzigseitiges Schreiben, nur weil sie keine Empfangsbestätigung bekommen hat”, berichtet ein Gemeindeangestellter. “Hat die denn keine anderen Probleme?”. Augenverdrehen.

“Nach meinem Urlaub hatte ich von ihr 80 Schreiben zu den verschiedensten Themen auf dem Tisch.”, erzählt ein weiteres Opfer der In-die-Tasten-Hauerin. “Glaubt die, das gesamte Gemeindeamt arbeitet nur für sie?” Händeringen.

Ich bin der Einzige, der ihr seit über 10 Jahren immer noch zurückschreibt”, nimmt der Bürgermeister Stellung. “Jetzt kann ich keine Mails mehr empfangen, weil mein Speicher voll ist. Ihre Antworten sind nämlich immer mindestens 20-mal länger als das was ich schreibe. Die schickt dir eine Doktorarbeit, über jeden einzelnen falschen Beistrich.” Fassungslosigkeit.

“Was will die von uns?”, so der einstimmige Chor von Gemeindeangestellen und Gemeinderat. Totale Verwirrung.

Wir haben Ü. mit dieser Frage konfrontiert. Sie hat uns mitgeteilt, dass ihr Antwort demnächst eintreffen wird. Sie müsse die derzeit 500-seitige Stellungnahme “nur noch” auf eine “Kurzfassung” von 250 Seiten kürzen. “So was kann man nicht einfach so oberflächlich beantworten”, informiert sie. Dann widmet sie sich wieder ihrem Text. Es ist zum Verzweifeln.

“Kopf hoch”, muntert der Bürgermeister seine Schäfchen auf. Er sieht selbst in den aussichtslosesten Situationen immer einen Hoffnungsschimmer am Horizont. “In der Zeit, in der sie kürzt, kann sie wenigstens nicht uns schreiben.”

ENDE DES ÜBERZEICHNETEN SELBSTIRONISCHEN BERICHTS

Anmerkung der Autorin:
Dieser Text ist KEINE Satire. Gemäß “Was ist und darf Satire?” muss eine Satire nämlich von unten nach oben gehen (Kritik an den Mächtigen). Dieser Text, in dem ich selbstironisch meine Vielschreiberei an Göttin und die Welt aufs Korn nehme, kann das nicht bieten. Er geht ja von mir zu mir selber, ist also sozusagen waag-recht. Apropos “Waage” und “recht”: Der Text ist überzeichnet , aber es ist in der Tat so: Würden alle meine Schreiben der letzten 10 Jahre ausgedruckt und auf eine mechanische Waage gelegt werden: Die würde es sehr viel nach unten drücken ;)

PS: Die Gemeindekatze ist frei erfunden.
Vor Jemen werden zwar tatsächlich Frachtschiffe gekapert, allerdings nicht wegen mir und ich habe ihnen auch noch nie geschrieben. Richtig ist, dass ich Dinge gerne genau abkläre, das oft schriftlich mache, mich in diesem Rahmen an alle möglichen Stellen und Menschen wende und meine Schreiben oft lang und nicht wahnsinnig leicht verständlich sein – siehe dieser Satz ;).

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Änderungen:

  • 06.05.2024: Ergänzung Anmerkung der Autorin

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