Wenn ich erzähle, dass ich aus Österreich komme, dann wollen viele wissen: Woher denn genau? Aufgrund meiner Kindheitserinnerungen und neuerer Erfahrungen sage ich derzeit oft: Ich komme aus der Nähe von Braunau. Das ist v.a. eine politische Positionierung.
Geographisch gesehen Linz ungefähr gleich weit weg von meinem Geburtsort wie Braunau – und dazu noch Landeshauptstadt von Oberösterreich – wo ich herkomme. Das allseits bekannte Salzburg ist nur etwa 20 km weiter weg als Braunau. Wäre also auf den ersten Blick logischer ich nehme eine dieser zwei Städte als Orientierungspunkt. Mach ich aber derzeit weniger. Warum?
Woher ich komme
Die Antwort ist einfach (oder durchaus auch der schwierigere Weg): Die Geschichte meines Geburtslands Österreich, in der Braunau eine wesentlich Rolle spielt.
Die Diktatur des Nationalsozialismus war verheerend. Es gab Zwangsarbeit, Verfolgung Andersdenkender, die Ermordung von Millionen Menschen in Konzentrationslagern – und viele weitere unmenschliche Handlungen.
Ich möchte mein Leben so leben, dass ich solchen Entwicklungen von Anfang an entgegenstehe. Ich möchte jemand sein, der hinschaut und handelt – und nicht jemand, der zugeschaut und im Nachhinein nichts gewusst hat.
Wenn ich etwas sehe, das meinen Werten widerspricht, dann ist mir wichtig, zu sagen: Nicht in meinem Namen. Es ist zentral für mich, nur Sachen mitzutragen, die ich mit meinen Grundwerten vereinbaren kann. Ich will keine Mitläuferin sein – sondern Mit-Gestalterin.
Kindheitserinnerungen
Eine meiner prägnantesten Kindheitserinnerungen ist, dass gesagt wurde, dass es wieder einen „starken Mann“ brauche. Ich muss ja hier – hoffentlich – nicht näher erläutern, welchen Schaden der „starke Mann“ angerichtet hat, der in Österreich 1938-1945 regierte. Er hieß Adolf Hitler und sein Geburtsort war: Braunau.
Ich erachte Forderungen nach einem „starken Mann“ als demokratiegefährdend. Was wir brauchen ist kein „starker Mann“. Sondern eine starke Demokratie – die allen eine bestmögliche Teilnahme an unserer Gesellschaft ermöglicht.
Darum ist mir wichtig, mich proaktiv klar zu positionieren. Indem ich sagen: Schau: Ich komm aus der Nähe von Braunau. Und dann erzähle, dass ich in meiner Geburtsgegend immer wieder auf beunruhigendes Gedankengut treffe – von dem ich mich klar distanziere.
Die Jahre vergehen – die Ideen bleiben

Nun sind ja seit meiner Kindheit einige Jahre ins Land gezogen – aber die autoritätsliebenden Ideen sind aus der Gegend offensichtlich noch nicht ausgewandert. So fand z.B. in Aistersheim, das nur etwa 9 km Entfernung von meinem Geburtsort Haag entfernt liegt, im Jahr 2018 der 2. Kongress der „Verteidiger Europas“ statt. Veranstaltet wurde er vom rechtsextremen Magazin Info-DIREKT. Rechtsextremismus ist etwas bei dem es für mich nur eine akzeptable Positionierung gibt: Klare Abgrenzung von diesen Ideen und von Organisationen, die sie vertreten.
Das sieht der Besitzer des Wasserschlosses in Aistersheim – in dem der Kongress stattfand – offensichtlich anders. Leider nicht nur er. Das wirft die Frage auf: Was finde ich denn an Rechtsextremismus so bedenklich? Das erfährst du, wenn du auf die den Pfeil unter diesem Abschnitt klickst. Alternativ kannst du natürlich auch sofort bei den Infos zu einem weiteren Nachbarort von Haag weiterlesen: Rottenbach.
Was ist (so bedenklich an) Rechtsextremismus? (für Details hier klicken)
Auf der Website Dokumentationsarchiv für österreichischen Widerstand findet sich eine detailierte Definition von Rechtsextremismus. Ein Auszug daraus (mit Hervorhebung der für mich wichtigsten Punkte):
Rechtsextreme Ideologie ist ein Syndromphänomen aus einem Bündel von Einzelaussagen, die in erster Linie durch die Berufung auf das Prinzip der Natur/Natürlichkeit verklammert werden. Natur, verstanden als vorgegebene Konstante, entzieht sich jeglicher Kritik , ein derartiger Begründungszusammenhang kann nicht in Frage gestellt werden. Über dieses Prinzip der Natur wird die Ideologie der Ungleichheit in die rechtsextreme Weltanschauung eingeführt. Rechtsextremismus versteht sich als „natürliche“ bzw. „biologische“ Ideologie, alles Abgelehnte wird als „widernatürlich“ diffamiert.
Zentrales Element rechtsextremer Ideologie sind die Begriffe „Volk“ und „Volksgemeinschaft“. Die Volksgemeinschaft wird als patriarchalisch-hierarchisch gegliederte Idylle als Gesellschaftskonzept der modernen Industriegesellschaft gegenübergestellt. Diese – notfalls mit Zwang harmonisierte – Gemeinschaft, in der Interessensgegensätzen kein Raum geboten wird, biete dem Individuum Geborgenheit an dem ihm zustehenden Platz. Seine Bedeutung erhält der einzelne in seiner Verpflichtung auf die Ganzheit des Volkes. Tendenzen und Bestrebungen, die diese idealisierte Harmonie stören, werden als angeblich „widernatürlich“ diffamiert: Dazu zählt demokratischer Sozialismus ebenso wie Liberalismus, Kommunismus, Emanzipationsbestrebungen von Frauen und anderer benachteiligter Gruppen, Gewerkschaftsbewegung und nicht zuletzt der Pluralismus parlamentarischer Demokratie. Gewünscht wird ein starker Staat, der nach innen und außen verlorene Stärke und Geschlossenheit rekonstruiert. Gefordert wird eine völkisch legitimierte, im Gegensatz zur herrschenden angeblich „wahre“ Demokratie sowie Identität von Volk und Führung. Gesamte Definition hier.
Leider, ach – auch in Rottenbach
Auch im Nachbarort von Haag am Hausruck, Rottenbach, gab es in der jüngeren Vergangenheit – am 24. August 2023 – eine Veranstaltung des rechtsextremen Magazins Info-DIREKT. Warum, so frage ich mich, passierten in der Nähe meines Geburstortes innert weniger Jahre gleich zwei Veranstaltungen, die von einem rechtsextremen Magazin veranstaltet wurden? Ich weiß es nicht. Was ich weiß ist: Es beunruhigt mich nicht nur, dass solche Veranstaltungen stattfinden – sondern v.a. auch, dass ich im Zusammenhang mit der Veranstaltung in Rottenbach vor kurzem eine Diskussion hatte, bei der ich – ich verstehe das wirklich nicht – auf Unverständnis stieß, als ich eine Abgrenzung von Rechtsextremismus und Faschismus einforderte.
Hitlerwein – das muss nicht sein
Das bringt mich direkt nach Haag am Hausruck. Auch dort hatte ich vor einigen Jahren ein ähnliche Diskussion.
Haag am Hausruck ist der Ort, in dem ich ich – mittlerweile erwachsen – das erste Mal mit „Hitlerwein“ in Kontakt kam. Das sind in Italien hergestellte Weinflaschen, auf denen ein Hitlerporträt klebt. 2022 wurde die Einstellung ihrer Produktion angekündigt – verkauft werden sie auch heute noch. Die Produkteinstellung ist offensichtlich eine zähe Sache. Die Entfernung der Flasche, auf die ich in Haag stieß, entpuppte sich als ähnlich zäh. Dies vor dem Hintergrund, dass die Person, der die Flasche gehörte, ganz klar sagte, sie sei kein Nazi. Warum hatte dann die Flasche einen so hohen Wert hatte, dass sie nicht einfach – ohne großes Federlesen – entsorgt werden konnte, sondern es dafür x-faches Nachfragen brauchte: Das ist für mich eine Schlüsselfrage.
Es ist wichtig zu sagen: Ich bin gegen Nationalsozialismus. Es genügt aber nicht. Wenn wir nationalsozialistische Symbole einfach behandeln, als wären sie ganz normale historische Gegenstände, dann haben wir ein Problem. Das sind sie nämlich nicht.
Wenn wir uns nicht fragen, welche Haltungen und Handlungen unserer Vorfahren die Entwicklung der verheerenden Diktatur des Nationalsozialismus ermöglicht machen, dann greifen wir zu kurz. Weil wir dann nämlich nicht wissen, wie wir handeln müssen, um eine solche Entwicklung in der Gegenwart zu verhindern.
Wir müssen uns anschauen: Welche Gesellschaft will ich? Was gefährdet sie? Wir müssen uns dazu insbesondere fragen: Was sind die Grundideen des Rechtsextremismus? Und uns fragen: Kann ich es mir leisten, dass ich solche Ideen unwidersprochen stehen lasse? Mein Antwort ist: NEIN.

Quellen
Definition „Rechtsextremismus“ des DÖW (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands. Abgerufen am 30.10.2025
Verteidiger Europas. Wikipedia. Abgerufen am 22.10.2025
Info zu „Info-Direkt“ auf der Website des DÖW (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands). Abgerufen am 22.10.2025
Website der Firma, die „Hitlerwein“ verkauft. Abgerufen am 30.10.2025 (Wegen der Sujets der Flaschen bewusst OHNE Verlinkung)
Bericht über die Veranstaltung des rechtsextremen Magazins Info-Direkt in Rottenbach. Stopptdierechten.at. Abgerufen am 30.10.2025
Zum Weiterlesen
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