Ich will, dass man mir widerspricht. Aber man widerspricht mir nicht. Stattdessen werde ich angegriffen.
Deborah Feldmann. Lesung in Zürich. 20.11.2023
Wenn ich Kritik an den Handlungen von Menschen übe, dann empfinde ich Widerspruch als äußerst bereichernd, wie z.B.:
- Ich sehe das anders
- Ich habe es so erlebt: (…)
- Ich gewichte das völlig anders.
- Ich habe da andere Fakten gehört: (…) – die mich zu folgendem Ergebnis bringen: (…).
- Ich finde XY leider nicht gut. Auch nicht besonders witzig. Liegt aber auch sicher daran, dass (…)
- Puh, das war lang.
- Vermutlich steigt mir das auch deshalb schräg auf, weil ich (…)
Was ich als äußerst herausfordernd bis destruktiv erlebe, sind persönliche Angriffe wie z.B.:
- Du siehst nur das, was du sehen willst.
- Du hast dir ja, wie es scheint, ohnehin schon dein Bild gemacht
- Du hast dich auf mich eingeschworen.
Ich erlebe es so: Wenn Menschen mich angreifen, dann werde ich ganz traurig und hoffnungslos. Weil ich mit Menschen in Kontakt treten möchte und das aber nicht kann, wenn mich ein Mensch – durch einen persönlichen Angriff – in eine abwertende Schublade zwängt und sie zumacht. Da fehlt mir dann die Luft zum Atmen, das Licht und die Freiheit, die ich so dringend brauch.
Bei Menschen, die Widerspruch äußern reagiere ich ganz anders. Bei mir kommt es wie folgt an: Diese Menschen sind zwar super-hart in der Sache und in der Kritik des von mir Gesagten / Geschriebenen, aber sie “lassen mich ganz”. Sie trauen mir zu, dass ich fähig und willens bin, mich auf ihre Meinung einzulassen und mit ihnen in einen Dialog zu treten. Das tut mir selbst bei härtester Kritik (erstaunlich) gut. Ich kann es selber kaum glauben. Hab das aber z.B. nach einer meiner Satiren im Austausch mit einem der Satirebetroffenen erlebt und es war voll so: Voll hart und voll schön.
Persönliche Angriffe hingegen sind für mich sehr schwierig, v.a. dort, wo ich eigentlich Erholung von traumatischen Erfahrungen bräuchte – und nicht deren Wiederholung. Da komme ich echt an meine Grenzen.
Ich frage mich, ob es stimmt, dass wir mit wiederholten traumatischen Erfahrungen Resilienz aufbauen (…) Keiner kann den Kampf lange alleine führen. (…) Ich habe meine Resilienz ausgeschöpft.
Deborah Feldmann. Lesung in Zürich. 20.11.2023
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