Ent-Würdigung – nicht ok

In Haag gibt es ein Problem der Herabwürdigung von Menschen aus der Bevölkerung durch örtliche Politiker:innen. Wollen wir wirklich so miteinander umgehen – und solchen Menschen die Entscheidungen über unsere Zukunft anvertrauen? Für mich ist die Antwort klar: Ich wünsche mir ein Ende der Entwürdigungen – und einen respektvollen Umgang.

Nachdem ich gemeinsam mit zwei weiteren Personen im Sommer 2021 eine Bodenschutz-Petition gestartet hatte, schrieb der Haager Bürgermeister auf den sozialen Medien wir seien unehrlich – was entwürdigend war. Wir haben darauf de-eskalierend reagiert und u.a. einen Faktencheck auf unserer damaligen Petitions-Website geschaltet – in dem wir auf der Sachebene auf alle zu unserer Petition vorgebrachten Bedenken eingingen. Der Haager Bürgermeister hat in der Folge das Wort unehrlich aus seinem Post gestrichen, was mich sehr erleichterte.

Anfang 2022 warf dann der Haager Vize-Bürgermeister – der zwischenzeitlich das Projekt vom befangenen Bürgermeister übernommen hatte – uns gemäß Bericht einer Gratiszeitung erneut eine Verzerrung der Wahrheit vor. Er stellte uns also wieder auf die Ebene von Unehrlichkeit.

Am 20. April 2023 machte dann die Obfrau der FPÖ an einer öffentlichen Gemeinderatssitzung beleidigende Aussagen über mich, die ein persönlicher Angriff waren, und keine fachliche Kritik. An der darauffolgenden Sitzung, am 29. Juni 2023 sagte sie, dass das ruhig wörtlich ins Gemeinderatssitzungsprotokoll geschrieben werden könne, weil sie das wahrscheinlich wieder so sagen würde. Sie scheint also an einem solchen Umgang nichts Falsches zu sehen. Der Bürgermeister hat diese Gelegenheit leider nicht genutzt, um nochmals klarzustellen, dass solche Aussagen – die die Fraktions-Obfrau an einer öffentlichen Gemeinderatssitzung getätigt hatte – in dem von im geführten Gremium keinen Platz haben.

Das Problem der persönlichen Herabsetzung von Menschen aus der Haager Bevölkerung durch Haager Politiker:innen ist also nicht gelöst. Entwürdigungen sind für die Betroffenen schwer auszuhalten. Leider sind sie – weit über Haag hinaus – insbesondere beim Umgang mit Bürger:innen, die die Gemeindepolitik kritisch in Frage stellen weit verbreitet. Das erklärt sich so: Es geht bei solch herabsetzenden Aussagen nicht um die Sache sondern um Macht. Es geht also in unserem Fall um die Frage: Wer darf bestimmen, wie sich Haag entwickelt? Die derzeitige Situation ist wie folgt: Diejenigen, die diese Macht heute in Haag haben, erachten das als selbstverständlich – und wollen die Macht nicht – so einfach – aus der Hand geben.

Es geht – im erweiterten Sinn, in Haag – darum: Darf sich die Bevölkerung – darf ich mir – das Recht herausnehmen, die Arbeit des Haager Gemeinderats kritisch in Frage zu stellen und mitzureden? Oder darf ich nur das fragen, was dem Gemeinderat genehm ist?

Ich und andere Menschen in Haag nehmen sich das Recht heraus, bei der Entwicklung von Haag mitzureden. Wir eignen uns diese Macht z.B. an, indem wir Unterschriften sammeln. Die Menschen, die die Forderungen unterstützen eignen sich Macht an, indem sie unterschreiben. Wir eignen uns auch Macht an, indem wir an der Gemeinderatssitzung zuhören und dort kritische Fragen stellen. Wir eignen sie uns an, indem wir Umweltverschmutzungen – die unsere Gesundheit & die Umwelt gefährden – nicht einfach hinnehmen. Wir fordern ein, dass Menschen außerhalb des Haager Gemeinderats mitentscheiden dürfen, wenn die Entscheidungen, die in Haag gefällt werden sie betreffen.

Ich fordere ein, dass anerkannt wird, dass die Entscheidungen des Gemeinderats Auswirkungen auf die Umwelt, auf Anrainer:innen und die Haager Gesamtbevölkerung und auch über die Gemeindegrenzen hinaus haben. Ich fordere ein, dass erstens alle betroffenen Menschen mitreden dürfen und wir zweitens der betroffenen Umwelt & zukünftigen Generationen eine Stimme geben dürfen – und nicht nur ein paar Menschen die alleinige Entscheidungsgewalt haben.

Dabei ist mir Folgendes sehr wichtig: Haag ist keine Insel. Was in Haag entschieden hat betrifft auch andere Menschen – und die haben in der von mir gelebten Haltung darum auch ein Mitspracherecht. Ich habe z.B. mit zwei weiteren Personen eine Petition gegen ein Projekt gestartet, dessen Auswirkungen weit über Haag hinausreichten (Bodenschutz, Klimaschutz, Verkehr, Raumentwicklung, Hochwasserschutz, Heimat in Haag etc.). Es wurde dementsprechend auch von Menschen weit über Haag hinaus unterzeichnet. Diese Menschen sagten: Was ihr das macht, das betrifft mich. Wir haben daher das Recht da mitzureden. Viele von Ihnen haben ihre Gründe auch offengelegt. Die derzeit Mächtigen (z.B. der Haager Vizebürgermeister) reagierten darauf indem sie sagten: Nur die Hälfte der Unterschriften sind aus Haag. In anderen Worten: Ihr Menschen von außerhalb Haag habt hier gar nichts zu mitzureden. Wir – die derzeit in Haag Mächtigen – entscheiden hier ganz allein – egal welche Auswirkungen unsere Entscheidungen auf Euch (in Rottenbach, Geboltskirchen, Weibern, weiter weg gelegenen Orten) haben. Das bedaure ich. Ich setze mich für eine Politik ein, die über den Tellerrand hinausschaut.

Es geht schlussendlich um folgende Frage:

  1. Wird Demokratie in Haag so gelebt, dass der Bürgermeister, der Vizebürgermeister und die Gemeinderatsmitglieder (oder ein auserwählter Kreis von ihnen) nach der Wahl sechs Jahre lang hinter geschlossenen Türen bzw. im geschlossenen Kreis über die Ortsentwicklung entscheiden und die Bevölkerung (die Hauptbetroffenen dieser Ortsentwicklung) eigentlich nichts mitzureden hat – und auch die Umwelt und zukünftige Generationen keine Stimme bekommen?
  2. Oder wird in Haag Demokratie so gelebt, dass die Gemeinderatsmitglieder in der Entscheidungsfindung mit offenen Türen arbeiten und all jene einbinden und mitentscheiden lassen, die von der jeweiligen Entscheidungen betroffen sind? Erfolgt diese Beteiligung so, dass sie alle Gruppen anspricht und für sie zugänglich ist – und nicht nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung?

Ich setze mich für Zweiteres ein – für eine Gemeindepolitik der offenen Türen mit Teilhabe aller. Ich setze mich für mehr Transparenz ein. Und ich setze mich dafür ein, dass ich diesen Einsatz tätigen darf, ohne persönlich herabgewürdigt zu werden. Ich bitte alle Beteiligten, in Zukunft auf entwürdigende Aussagen zu verzichten und ich rufe den Bürgermeister auf, dass er in Zukunft bei entwürdigenden Aussagen umgehend einschreitet und klarstellt, dass solche Aussagen in von ihm geleiteten Gremien, Sitzungen, etc. keinen Platz haben. Ich bin überzeugt, dass wir alle eine würdevolle Diskussionskultur verdient haben und alle von ihr profitieren. Wir haben gemeinsam Probleme zu lösen. Und das gelingt dort am Besten im gegenseitigen Respekt.

Erstveröffentlichung: 20. Februar 2022, Überarbeitung: 8. Juli 2023