2022 wurden österreichweit 12 ha Boden pro Tag verbraucht. Das ist fast 5 Mal so viel wie das „Nachhaltigkeitsziel“ der Bundesregierung, von 2,5 Hektar pro Tag. Oberösterreich nahm dabei – neu – die unrühmliche Rolle des Bundeslandes mit dem höchsten Bodenverbrauch ein. Was läuft da falsch? Und: Wie sieht es in Haag am Hausruck aus? Braucht es einen Netto-Null-Flächenverbrauch?
Einer der Hauptgründe für den österreichweit viel zu hohen Bodenverbrauch ist, dass niemand verbindliche Obergrenzen festlegt. Auch nicht in Oberösterreich – das 2022 die Steiermark „überholt“ hat.
Es ist im Bodenschutz wie bei vielen anderen Themen: Alle Beteiligten haben einen Handlungsspielraum – nur wenige schöpfen diesen aus. Alle tragen eine Teilverantwortung – nur wenige übernehmen sie. „Ich fühle mich zuständig und schöpfe meinen Spielraum voll aus“, das ist ein Satz, der von der Wien über Linz bis nach Haag am Hausruck leider Seltenheitswert hat. Ich persönlich habe ihn in Haag noch gar nie gehört.
Vom Ziel eines Netto-Null im Flächenverbrauch – das sich z.B. Baden-Württemberg für 2035 gesetzt hat – ist ganz Österreich, inkl. Haag, derzeit leider noch weit entfernt.
Gemeinderat tut sich schwer
Der Haager Gemeinderat redet zwar von Bodenschutz, tut sich bis dato schwer mit konkreten Maßnahmen für die Reduzierung Flächenverbrauchs. Dies geht aus der Beantwortung einer Frage hervor, die an der Gemeinderatssitzung vom 30.03.2023 im Rahmen der Bürger:innen-Fragestunde gestellt wurde.
Von Seiten Haager Gemeinderat gibt es keine konkreten Ziele, Konzepte & Zahlen für die Umsetzung des Bodenschutz-Regierungsziels auf Ortsebene. Ein Netto-Null-Flächenverbrauch ist gar kein Thema. Das ist fatal. So werden nämlich Umwidmungs-Anträge für die Verbauung und Versiegelung von wertvollem Grünland nach wie vor wie bisher abgewickelt – ohne zu sagen: „Wir müssen uns bewusst sein: Wenn wir diesem Umwidmungsantrag zustimmen, dann haben wir damit xy % unseres jährlichen Flächenverbrauchs ausgeschöpft. Ist uns dieses Projekt so viel von unserem Bodenbudget wert?“ oder „Wenn wir hier widmen, wo entsiegeln wir dann? So gibt es keine Gesamtschau, die zu einer Reduzierung des Flächenverbrauchs führt – sondern es wird ein Projekt nach dem anderen einzeln abgewickelt und Haag immer weiter zugebaut.
Ein Flächen-Netto-Null-Verbrauch wäre in Haag am Hausruck, wo es einen riesigen Bestand an bereits gewidmetem, unbebautem Bauland für Wohngebiete und beste landwirtschaftliche Böden für die Lebensmittelproduktion gibt, nicht nur das naheliegendste sondern das einzig zukunftsfähige Ziel. Eigentlich müsste man in Haag sogar ein Minus-Flächenverbrauch anstreben.
Ein Netto-Null im Flächenverbrauch folgt dem folgenden Ansatz: Für jede Fläche die zusätzlich verbraucht wird, wird anderswo eine Fläche wieder in Grünland/Wald/Naturfläche rückgeführt. So könnte Haag ein naturnaher Ort bleiben – und durch eine klügere Verteilung der verschiedenen Nutzungen sogar noch attraktiver werden (für Menschen, Tiere, alternative Mobilität, usw.).
Grüne Ersatz-Gemeinderätin legt Zahlen für Haag vor
Zurück zum Regierungsziel. Eine grüne Ersatzgemeinderätin hat sehr spannende Berechnungen angestellt, in denen sie das dieses Bodenschutzziel auf Haag am Hausruck herunterbricht. Ihr Ergebnis für die Flächeninanspruchnahme in Haag am Hausruck, wenn dort so gewidmet wird, dass das Bodenschutzziel der Regierung eingehalten wird:
Die Ersatzgemeinderätin führt nach ihren Berechnung aus, dass die Zahl nicht auf die örtliche Situation umgelegt werden könne, sondern es sich um ein statistische Zahlen & Durchschnittswerte handle – die erahnen ließen, wohin die Reise geht.
Wie groß ist das?
Um einschätzen zu können, welche Größenordnungen in Haag gemäß Regierungs-Bodenschutzziel pro Jahr verbaut werden könnten, hier ein paar Vergleichsflächen:
- Marktplatz (inkl. Straße): ca. 7.400 m2,
- Geschotterter (unterer) Luisenhöhe-Parkplatz: ca. 2.760 m2,
- Fläche, die für die Firma Biomin von Grünland in Betriebsbaugebiet umgewidmet wurde: 25.336 m2
- Größe der Fläche gegenüber Asphaltmischwerk Felbermayr, für die eine Umwidmung für eine Erweiterung der Asphalt-Anlage beantragt worden war: 5775 m2.
Was heißt das für Haag?
- Die Errichtung der Firma Biomin (auf einem Grundstück im vorherigen Teilbesitz des Bürgermeisters) hat gemäß Regierungsziel von 1825 m2/Jahr für sich allein das Haager Bodenbudget von über 13 Jahren aufgefressen. Sie wurde 2018 errichtet. Es hätte also eigentlich erst 2031 wieder eine Grünfläche in Bauland umgewidmet werden dürfen. Bei einem Zielwert von 3200 m2/Jahr hätte erst 2026 wieder etwas umgewidmet werden dürfen. Wir befinden uns nun ja bekannterweise erst im Jahr 2023. Seit 2018 gab es aber schon wieder x weiter Umwidmungen. Es gibt mittlerweile zwar auch Widerstand dagegen – v.a. in der Bevölkerung, aber auch in Teilen des Gemeinderats. An der letzten Gemeinderatssitzung vom 14.09.2023 forderte eine Bürger:innen-Initiative die Rücknahme eines Beschlusses einer Umwidmung von 3.200 m2 Grünland in Bauland. Das unterstützte leider nur eine Minderheit der Gemeinderatsmitglieder. Die Zeichen der Zeit wurden von der Mehrheit des Haager Gemeinderats also noch nicht ausreichend erkannt.
- Der Haager Gemeinderat plant derzeit eine Überarbeitung des örtlichen Entwicklungskonzept. Das ist auch dringend notwendig – weil es bodenverschwendend und überhaupt nicht mehr zeitgemäß ist. Eine Überarbeitung ist aber nur dann wirklich bodenschützend, wenn schon während der Überarbeitung den im alten ÖEK vorgesehen Bodenverschwendungen ein Riegel vorgeschoben wird.
Kurz: In Haag ergibt sich angesichts des überschießenden Bodenverbrauchs der letzten Jahre zwingend die Notwendigkeit von mindesten einem Netto-Null-Flächenverbrauch bzw. eigentlich: Minus-Flächenverbrauch. Der Haager Gemeinderat kann diese vorausschauenden Schritte möglich machen.
Quellen:
- Gedanken und Zahlenspiele zur Flächeninanspruchnahme, in: Grünschnabel 03/2023, Grüne Haag am Hausruck, S. 9
- Gemeinderatssitzungsprotokolle 8.11.2021 bis 20.04.2023
- Oö. Raumordnungsgesetz 1994
Zum Weiterlesen:
Gedanken und Zahlenspiele zur Flächeninanspruchnahme, in: Grünschnabel 03/2023, Grüne Haag am Hausruck, S. 9
WWF: Bodenverbrauch 2022 auf 12 Hektar pro Tag gestiegen, WWF Österreich, abgerufen am 18.08.2023
Bodenverbrauch in Österreich. Der WWF Bodenreport, WWF Österreich, abgerufen am 12.08.2023
WWF Bodenreport 2022, WWF Österreich, abgerufen am 12.08.2023
Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 15.12.2022
Definitionen
Wenn wir mit Zahlen zum Flächenverbrauch bzw. der Flächeninanspruchnahme hantieren, ist des wichtig, klarzustellen: Wovon reden wir eigentlich? In der Kurzfassung ist es so: Wir verbrauchen bzw. verbauen dort Flächen, wo wir Grünland in Bauland oder Verkehrsflächen umwidmen. Etwas genauer definiert, ist es so:
- Flächeninanspruchnahme: Verlust biologisch produktiven Bodens durch Verbauung für Siedlungs- und Verkehrszwecke, Veränderung für intensive Erholungsnutzungen, Deponien, Abbauflächen, Betriebsanlagen etc. (Quelle: Grünschnabel 2023/03)
- „Bauland“ sind gemäß dem oberösterreichischen Raumordnungsgesetz (Par. 21 ff): Wohngebiete, Dorfgebiete, Kurgebiete, Kerngebiete, gemischte Baugebiete, Betriebsbaugebiete, Industriegebiete, Ländeflächen, Zweitwohnungsgebiete, Gebiete für Geschäftsbauten, Sondergebiete des Baulands.
- Verkehrsflächen sind gemäß dem oberösterreichischen Raumordnungsgesetz (Par. 29) Flächen, die dem fließenden und ruhenden Verkehr dienen und besondere Verkehrsbedeutung besitzen, einschließlich der zugehörigen erforderlichen Anlagen. Darüber hinaus kann im Flächenwidmungsteil die Errichtung von Photovoltaikanlagen für zulässig erklärt werden.