In der Schweiz sind die Ergebnisse von Volksabstimmungen für die Politiker:innen bindend. Das führt dazu, dass bei Entscheidungen der Wille der Bevölkerung stärker berücksichtigt wird als in Ländern, wo es für die Politiker:innen keine Konsequenz hat, wenn sie am Willen der Bevölkerung vorbei regieren. Und es führt – in meiner persönlichen Erfahrung – dazu, dass die Menschen besser informiert und politisch selbstbewusster sind.
Menschen mit Stimmrecht können in der Schweiz einerseits durch Sammeln von 100.000 Unterschriften Änderungen der Schweizer Verfassung beantragen, über die dann abgestimmt werden muss. Dies wird als Volksinitiative bezeichnet. Wenn die Mehrheit für eine solche Initiative stimmt, kommt der entsprechende Text in die Schweizer Verfassung. Andererseits kann die Bevölkerung – wenn sie genügend Unterschriften sammelt – eine Abstimmung über Entscheidungen von Gemeinderat bis Parlament erzwingen. Dies wird als Referendum bezeichnet. D.h. wenn z.B. die Gemeinde einen örtlichen Richtplan verabschiedet (Gegenstück des örtlichen Entwicklungskonzepts ÖEK in Österreich), so kann die Bevölkerung das Referendum dagegen ergreifen. Wenn eine Bevölkerungsmehrheit dann gegen den vom Gemeinderat verabschiedeten Richtplan stimmt, so kann er nicht in Kraft treten. Der Gemeinderat muss nochmal über die Bücher. Dasselbe gilt für vom Gemeinderat verabschiedete Umzonungen (Gegenstück österreichischer Umwidmungen).
Diese Macht der Bevölkerung führt dazu, dass die Politiker:innen bei Entscheidungen die Bevölkerung stärker einbeziehen als in Österreich. Wenn sie nämlich etwas verabschieden, dass in der Bevölkerung keine Mehrheit hat, riskiert sie, dass jemand dagegen ein Referendum ergreift, dieses angenommen wird und das erarbeitete Gesetz / die verabschiedete Entscheidung im Eimer ist. Das führt dazu, dass Bedenken aus Bevölkerung bereits präventiv berücksichtigt werden. Es führt dazu, dass die Bevölkerung von Seiten Politik viel aktiver über Fachfragen informiert wird als in Österreich – und dass sich die Bevölkerung auch mehr für solche Fragen interessiert. Sie weiss: Ich kann mitbestimmen. Meine Stimme wird gehört. Und dort wo Menschen gehört werden, haben sie auch mehr Motivation zu sagen: Darüber informiere ich mich. Und sie sagen dann selbstbewusster: Das ist unsere Entscheidung. Ihr – die Politiker:innen – wurdet von uns gewählt, um für uns zu entscheiden. Nicht über uns.
Veröffentlicht am 15.01.2023
Zum Weiterlesen:
Volksrechte in der Schweiz, Bundeskanzlei, Schweizerische Eidgenossenschaft, abgerufen am 15.01.2023.
Raumplanung in der Schweiz, Eidgenössisches Departement für Umwelt, Energie, Verkehrs und Kommunikation UVEK, Schweizerische Eidgenossenschaft, abgerufen am 15.01.2023.