Achtung: Satirischer Meinungsbeitrag!
Seit einer Woche sind die Kids in Oberösterreich wieder zurück in der Schule. Dort lernen sie richtig rechnen – was ihnen im richtigen Leben dann einige Probleme bereiten wird. In der harten Haager Realität sind nämlich nicht korrekte, sondern kreative Berechnungen gefragt – wie z.B. Berechnungen, mit denen die realen Kosten für die Reparatur der Haager „Erlebnis“-Bahn und Rodelbahn halbiert, geachtelt oder überhaupt weggezaubert werden könnten.
Kurz zur Erinnerung. Vor den Schulferien passierte Folgendes: In einer öffentlichen Veranstaltung Ende Mai wurde ein Tourismus- und Lebensraumkonzept für Haag am Hausruck präsentiert, das noch gar nicht existierte bzw. fertig war. In der Schule hätte das ein Nicht Genügend gegeben. Da kann man nur von Glück reden, das die Verantwortlichen alle schon die Schule abgeschlossen haben. So ist das nicht weiter tragisch.
Sowieso: Ist blöd gelaufen, aber mal ehrlich: Wen interessieren schon vollständige Fakten und Zahlen? Voll fad! Viel spannender ist es doch, die Dinge kreativ anzugehen. Das wurde auch gemacht. Juhu!
In einer Umfrage im Rahmen der Erarbeitung des Haager Tourismus-und Lebensraum-Konzeptes wurde z.B. gefragt: „Welche Bedeutung hat die Luisenhöhe als Naherholungsgebiet für die Lebensqualität in Haag am Hausruck?“ (mit Auswahl zwischen 0=kaum und 10=sehr). Herausgekommen ist gemäß Präsentation die Zahl „8,3 von 10“. Eine eindrücklich hohe Zahl. Da stört es natürlich auch nicht weiter, dass wir bis heute nicht wissen, wofür diese eindrücklich hohe Zahl eigentlich genau steht.
Vielmehr ist es so: Wir können jetzt alle diese Zahl so interpretieren, wie wir sie gerne hätten. Wenn ich die Bahn endgültig zu-sperren & abbauen will, sag ich: „Schaut’s, die Leute finden die Luisenhöhe ganz super – obwohl Bahn zu“. Wenn ich die Bahn wieder aufsperren, sag ich: „Schaut’s die Leute finden die Luisenhöhe ganz wichtig – sie wollen die Bahn wiedereröffnen“. Das ergibt so richtig tolle, inhaltlich sinnlose Diskussionen, wo sich alle voll hineinsteigern können. Und das nicht nur über den Sommer bis in den Herbst hinein, sondern – wenn wir wollen – noch über Jahre. Wir könnten sogar Wetten darüber abschließen, bis wann die Gestelle der Konkurs-Bahn so sehr verrostet sind, dass sie den dort weidenden Schafen auf den Kopf fallen. Was wollen wir mehr!
Bei solch aufregenden Aussichten werde ich jetzt natürlich nicht daherkommen und irgendwas Einschlaf-Langweiliges verkünden, wie z.B.: „He Leute, diese Präsentation, die da seit Monaten auf der Gemeindewebsite steht, ist unklar. Sie ergibt überhaupt keinen Arbeitsauftrag an irgendwen, die Rodelbahn zu retten.“ Das will doch niemand. Darum mache ich es natürlich auch nicht. Und ich werd jetzt auch nicht daherkommen und auf die Gemeinderatssitzung von diesem Donnerstag 19.9. verweisen, bei der der Endbericht des Tourismus- und Lebensraumkonzepts auf der Tagesordnung steht. Wen interessieren schon Gemeinderatssitzungen, zu denen man extra hinlatschen muss. So wie es derzeit regnet, ist der End-Bericht außerdem womöglich bis Donnerstag total verwaschen und es lässt sich erst wieder nichts Konkretes rauslesen.
Darum: Ich halt mich an diejenigen, die derzeit – unübersehbar! – die Umsetzung unseres Willens als ihre Kernkompetenz verkünden. Falls sich jetzt wer fragt, wie die überhaupt unseren Willen kennen, dann kann ich weiterhelfen. Das geht ganz einfach: Sie zaubern Zahlen herbei – aus denen sie dann einen Handlungsauftrag ableiten. Die Diskussion wird durch diese Art der Rechenkunst zwar nicht sachlich korrekter, aber dafür (mindestens) zum Quadrat aufregender.
Ich erklär’s mal am Beispiel Luisenhöhe. Aus „8.3 von 10 Punkten“, die die Umfrageteilnehmenden im Durchschnitt bei der Frage „Welche Bedeutung hat die Luisenhöhe als Naherholungsgebiet für die Lebensqualität in Haag am Hausruck“ vergaben, wurde in einer FPÖ-Wortmeldung an der öffentlichen Gemeinderatssitzung vom 13. Juni 2024 kurzerhand – simsalabim: „8 von 10 sind für die Rodelbahn“. Auf gut Deutsch: Die Vertreterin der FPÖ verlautbarte, dass 80% der Leute wieder die Luisenhöhe runterrutschen wollen. Hört sich toll an – und verstehen alle. Weil das alles so toll ist, hat das FPÖ-Gemeinderatsmitglied auch gleich alle anderen Gemeinderatsfraktionen aufgefordert, aktiv zu erkunden, was denn eine Neu-Aufmotzung der verbeulten Bahn kosten würde. In anderen Worten: Die FPÖ hat sich dafür eingesetzt, dass unser Wille geschehe! Also auch meiner. Was will ich mehr. Ich hab ja auch bei der Umfrage mitgemacht.
Blöd ist daran einzig: Es steht in der Powerpoint-Präsentation ein bisschen weiter unten, dass die Rodelbahn nur 42% der Leute (4,2 von 10) fehlt – was ungefähr die Hälfte von 80% (8 von 10) ist – und noch dazu eine Minderheit. Heißt im Umkehrschluss: Gemäß den aktuell vorliegenden Informationen ist der Wille der Mehrheit bzw. „Euer Wille“ (und auch mein Wille): Mit dem Luisenhöhe-Runterrutschen könnt ihr mir den Buckel runterrutschen.
Und was machen wir jetzt? Sollen wir unsere spannende, faktenferne Diskussion und die Rodelbahn-Rechenaktivitäten der FPÖ-Fraktion unterbrechen, nur weil die FPÖ die Zustimmungsprozent für die Rodelbahn quasi verdoppelt bzw. verdreht hat? Wollen wir bei der Nationalratswahl womöglich gar das Kreuz bei einer anderen Partei machen – weil die örtliche FPÖ gar nicht unseren Willen umsetzt? Natürlich nicht. Wir wissen ja jetzt schon, wie es an der Luisenhöhe läuft – weit über die FPÖ hinaus: Es wird eine Zahl für die Kosten präsentiert. In Wirklichkeit kostet es dann (mindestens) doppelt so viel. Da passt eine Zustimmungs-Zahl, die ebenfalls verdoppelt wurde, doch ganz hervorragend dazu! In anderen Worten: Die FPÖ Haag am Hausruck beherrscht die Luisenhöhe-Rechenkunst perfekt. Mit ihr können wir auch in Zukunft rechnen! Nur halt nicht damit, dass sie unseren Willen geschehen lässt.
Ende satirischer Meinungsbeitrag
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Satire-Check
(gemäß „Was ist und darf Satire?“)
1. Hat die Satire ein soziales Ideal?
Ideal vorhanden? | Ja. |
Welches? | Die Satire zielt 1. auf Transparenz in der Ortspolitik 2. achtsame, neutrale Bürger:innen-Beteiligung (statt Nutzung für Erreichung eigener/versteckter Interessen) 3. Achtsamer Umgang mit Steuergeldern. 4. gut überlegtes Kreuz bei den Nationalratswahlen. |
Werden Missstände sichtbar gemacht? | Ja. 1. Die Verantwortlichen präsentieren ein Konzept bevor es vollständig vorliegt – wodurch eine fundierte Analyse des Inhalts verunmöglicht wird und nicht nachkontrolliert werden kann, ob die präsentierten Zahlen stimmen. 2. Die FPÖ verbreitet an einer öffentlichen Gemeinderatssitzung falsche Zahlen zum Resultat der Bürger:innen-Umfrage und ruft auf Grundlage dieser Zahlen die anderen Gemeinderatsfraktionen zum Handeln (gemäß ihrer Interpretation der Fakten) auf. Vor den Nationalratswahlen plakatiert sie dann den Slogan „Euer Wille geschehe“. 3. Es wurde an der Luisenhöhe im Jahr 2015 mit dem Rückhalt aller damaligen Gemeinderatsfraktionen (ÖVP, SPÖ, FPÖ) eine Bahn errichtet, deren Kosten sich im Projektverlauf mehr als verdoppelten. Anstatt nach dem kurz nach Baubeginn offensichtlich werdenden falschen Kostenberechnung für die Bahn die Notbremse zu ziehen, stimmte der Gemeinderat für eine zusätzliche Förderung durch weitere Steuergelder (BZ-Mittel des Landes) in Höhe von 450.000 Euro. Allein nach Baubeginn stiegen die Kosten um fast 700.000 Euro. Die Bahn ging nach nicht einmal 5 Jahren in Konkurs. Die Anlagen auf der Luisenhöhe auf der Luisenhöhe wurden in der Folge von der Gemeinde aufgekauft, die seither eine:n Betreiber:in sucht. Eine Aufarbeitung der Gründe für den Konkurs fehlt. Die Verantwortlichen wurden nicht benannt und es wurden keine Konsequenzen verkündet. |
Wird zur Beseitigung der Missstände animiert? | Ja. Durch deren Sichtbarmachung und den vorgelebten Mut zur öffentlichen Kritik. |
2. Hat die Satire ein klares Ziel?
Richtet sich die Satire an die Person oder Gruppe, die für die kritisierten Zustände bzw. Missstände verantwortlich ist? | Ja. |
Gegen wen? | 1. Auftraggeber des Konzepts war der Gemeinderat. Er trägt damit die Endverantwortung – bzw. die Verantwortung sich anzuschauen, was hier in der Umsetzung falsch gelaufen ist und entsprechende Korrekturen für die Zukunft zu beschließen. 2. Die FPÖ Haag am Hausruck. |
3. Geht die Satire von unten nach oben?
Kritisiert die Satire die Mächtigen? | Ja |
Welche Macht hat die Verfasserin | Grundbesitzerin in Haag/H., ohne politisches Mandat |
Welche Macht haben die Zielpersonen/-gruppen | Politische Mandate: Gemeinderatsmitglieder |
4. Beruht die Satire auf Tatsachen?
Satire beruht immer auf realen Fakten – die dann übertrieben oder überzeichnet dargestellt werden.
Beruht die Satire auf Tatsachen? | Ja. * Es wurde tatsächlich am 23.05.2024 ein Tourismus- und Lebensraumkonzept präsentiert, das zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht vorliegt und auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses satirischen Meinungsbeitrags noch nicht vorlag. * Auf der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung vom 19.09.2024 steht der Punkt „Endbericht Lebensraum- und Tourismuskonzept“. *Die FPÖ-Fraktionsvorsitzende sagte an der Gemeinderatssitzung vom 13.06.2024: „(…) Zu dem Ergebnis vom Tourismuskonzept. Im Grunde genommen hat ein jeder von uns gewusst, wo das hinführt. Dass wir mal wissen, wie geht es mit dem Erlebnisberg weiter. (…) die sich beteiligt haben, ein Großteil, also 8 von 10, für den Erhalt der Rodelbahn ist und natürlich auch in diesem Zusammenhang gehört auch die Auffahrt, die Aufstiegshilfe dazu. Dass wissen wir (…) Ich stehe jetzt auf dem Standpunkt, man muss das ernst nehmen, was entschieden worden ist (…) Dem Ganzen muss ich jetzt einmal nachgehen. Und ich bitte euch alle, (…) dass sich von jeder Partei wenigstens einer oder zwei meldet und mithilft herauszufinden, ist es leistbar oder ist es nicht leistbar, ist es sinnvoll oder ist es nicht sinnvoll und dann gemeinsam entscheiden. Und der Termin 30.6. ist nicht realistisch, der stand halt im Konzept. (…).“ * Die Kosten der „Erlebnisbergbahn“ auf die Luisenhöhe sind zwischen 2011 und 2017 von > 1 Mio. auf > 2,8 Mio. Euro gestiegen (siehe „Förderung der touristischen Einrichtungen an der Luisenhöhe in Haag am Hausruck 2013-2017„) |
Wurden die Tatsachen überprüft? | Ja. – Nicht-Existenz vollständiges Tourismus- und Lebensraumkonzept: a) Auskunft der Gemeindeverwaltung, b) Aussage Bürgermeister an der öffentlichen Gemeinderatssitzung vom 13.6.2024 – Zahlen/Formulierungen/Fragen aus Powerpoint-Präsentation: „Tourismus- und Lebensraumkonzept Haag am Hausruck. Ergebnispräsentation und – dokumentation.“ (abgerufen am 21.06.2024) – FPÖ-Aussage an der Gemeinderatssitzung: Die Verfasserin war an der Sitzung anwesend und hat die Aussage zusätzlich auf der Aufnahme nachgehört, die sie gemäß Par. 53 der oberösterreichischen Gemeindeordnung erstellt hat. – „Euer Wille geschehe“-Plakate der FPÖ für die Nationalratswahlen 2024 wurden von der Autorin gesehen und fotografiert. |
Veröffentlichung:
Änderungen:
- 18.09.2024: Vorletzter Absatz: Einfügen von „4,2 von 10“ nach 42% und „8 von 10“ nach 80%.
Letzte Änderung: