Verbinden statt zerschneiden

Am Hang hinter dem Haager Bahnhofplatz befindet sich ein ökologisches Kleinod in öffentlichem Besitz. Der Ort ist bis dato frei zugänglich. Öffentliche Räume, an denen Kinder & Jugendliche die Umwelt “begreifen” können, sind wertvoll. Der Gemeinderat diskutiert nun am 11. April darüber, ob er erlaubt, dass der Hang am Bahnhofplatz zum privaten Nachbargrundstück dazugezäunt wird. Das würde das Lebensraumnetzwerk rund um den Bahnhofplatz stark entwerten – für Menschen, Tiere und Pflanzen.

Attraktiv und zugänglich – ein Platz für alle

Der Bahnhofsplatz ist bunt. Er bietet einen attraktiven Aufenthaltsraum für Menschen aller Altersgruppen. Er wurde bewusst naturnah gestaltet und ist darum auch Lebensraum für unzählige Tiere und Pflanzen.

Kleiner Hang – große Aufwertung für den ganzen Platz

Ein wichtiger Grund für den hohen ökologischen Wert des Bahnhofareals ist der Hang hinter dem Busterminal – ein ökologisches Kleinod. Der naturnahe Hang bietet nicht nur Unterschlupf und Futter für ganz viele Arten. Es vernetzt darüber hinaus den naturnah gestalteten Bahnhofsplatz mit den angrenzenden Lebensräumen (Gewässer, Gehölze). So wird der ökologische Wert des gesamten Bahnhofs-Areals stark erhöht.

Eine all-inclusive Wellness-Oase

Tiere und Pflanzen brauchen – genau wie wir: Platz zum Wohnen, etwas zu Essen und Wege, um mobil zu sein. Dazu kommt: Nur wenn Tiere sich austauschen können, sind sie langfristig überlebensfähig. Das ökologische Kleinod am Hang beim Busterminal bietet Tieren & Pflanzen all diese Funktionen.

«Gstettn»: Ein Rundum-Wohlfühlpaket, geliefert von der Gemeinde

Der Hang wurde von der Gemeinde so gepflegt, dass er auf kleinstem Raum eine eindrückliche Vielfalt an Lebensräumen vereint. Es gibt dort z.B. Totholzstrukturen. Totholz ist Lebensraum für rund 5000 Arten – also sehr lebendig. Dann finden sich im Hang insbesondere auch Asthaufen – die vielen Tierarten hochwillkommenen Unterschlupf bieten. Wildblumen und Sträucher bieten verschiedensten Insekten höchst wichtige Nahrung. Kurz: Es wurde so gepflegt, dass ein Rundum-Wohlfühlpaket für die Tier- und Pflanzenwelt rausgekommen ist. Das verdient Lob – und verdient, als wertvoller Schatz erhalten und gehütet zu werden.

Wem wollen wir Platz geben? Was ist im öffentlichen Interesse – und was nicht?

Heute sind sowohl der Festplatz als auch der Hangteil, der im öffentlichen Besitz ist für Kinder frei zugänglich. Diese öffentliche Zugänglichkeit des Hanges ist bedroht.

Der Grundbesitzer des Nachbar-Grundstücks hat das Anliegen, sein Grundstück abzugrenzen. Darf er. An seiner Grundstücksgrenze, der unteren Hangkante.

Ungefährer, mutmaßlicher Verlauf des gewünschten Zauns (Quelle der Kartengrundlage: doris.at. Der rote Strich des mutmaßlichen Verlaufs des beantragten Zauns – an der oberen Hangkante – wurde von der Verfasserin eingefügt. Das Orthofoto der doris.at-Karte ist von vor der naturnahen Gestaltung des Bahnhofsplatzes – enthält also nicht die naturnahen Elemente des heutigen Platzes).

Er möchte nun aber mehr: Er will stattdessen an der oberen Hangkante zäunen. Anders gesagt: Er will das wertvolle Hang-Kleinod, das sich in öffentlichem Besitz befindet, bei sich dazuzäunen. Das würde den Gesamtverbund an wertvollen Lebensräumen rund um den Bahnhofsplatz entwerten und der Hang wäre dann auch für die Öffentlichkeit vom Bahnhofsplatz aus nicht mehr frei zugänglich. Es wäre das in etwa so, wie wenn dein Nachbar einen Teil von deinem Garten abzäunt und bei seinem dazuzäunt. Oder einen Teil von deinem Balkon abtrennt und zu seinem dazunimmt. Da wärst du wohl kaum begeistert. Schon gar nicht, wenn du dann nicht mehr zu deinem Liegestuhl, deinem Grill oder deinem Tomatenstrauch kannst. Es sei denn, du musst gröbere Reparaturarbeiten dort machen. Dann darfst du drauf. So ähnlich sieht es die Nutzungsvereinbarung für das Bahnhofs-Kleinod vor.
Der vorliegende Entwurf widerspricht dem öffentlichen Interesse.

Was ist genau vorgesehen?

Diese ökologisch und sozial wertvolle Hang soll zum privaten Nachbargrundstück dazugezäunt werden.

Der Entwurf wurde nicht veröffentlicht. Gemäß der Diskussion an der Februar-Gemeinderatssitzung und einer Auskunft der Gemeinde ist Folgendes geplant: Der private Grundbesitzer zahlt die Kosten des Zauns und einen Teil der Pflege des Hangs. Für diese Pflege wurden keine ökologischen Kriterien festgelegt. Für Pflege der Bäume bleibt die Gemeinde zuständig. Wofür genau wer zuständig ist, ist unklar.

Die Vereinbarung scheint keine Kriterien zu enthalten, welche Art von Zaun aufgestellt werden darf. Das ist deswegen kritisch, weil ein Zaun zwar sowieso ein unnötige Barriere für viele Tierarten darstellt. Wenn der Gemeinderat aber nun – hoffentlich nicht – beschließen sollte, dass er hier Lebensräume zerschneiden lassen möchte: Dann wäre es wichtig, wenigstens die Art von Zaunes zu wählen, die am wenigsten Hindernis darstellt.

Besser kein Zaun am oberen Hangende: Aus ökologischer und sozialer Sicht

Es besteht für die Gemeinde keine Notwendigkeit, hier am oberen Hangende abzuzäunen. Im Gegenteil: Es ist nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus sozialer Sicht wichtig, das nicht zu tun: Es gibt heute für Kinder und Jugendliche nur mehr wenige öffentliche Orte, an denen sie konfliktfrei ihre Umwelt «begreifen» können. Wenn der Hang von oben her zugänglich bleibt, dann geben wir das Signal: Kinder & Jugendliche sind in Haag willkommen – und dürfen es auch entdecken. Das erachte ich – neben den ökologischen Überlegungen – als äußerst wichtig.

Der Gemeinderat hat es in der Hand, darüber zu entscheiden, was für ein Haag er gestalten will. Seine Entscheidung zum Begehren öffentlichen Grund zum privaten Nachbargrundbesitz dazu zu zäunen sendet eine klare Botschaft darüber aus, was ihm – unser – öffentlicher Raum wert ist und wofür (bzw. für wen) er ihn verwenden will.

Wenn der Gemeinderat nein sagt zum Wunsch des Grundnachbarn, den öffentlichen Hangs zu seinem Privatgrundstück dazuzuzäunen, so ist das ein Ja zu einem für alle zugänglichen ökologischen Kleinod am Bahnhofplatz – und damit ein ja für zentrale öffentliche Interessen.

Darum bin ich für die Ablehnung des Zauns am oberen Hangende. Er würde wichtige Lebensräume abtrennen und entwerten. Ich möchte ein Haag, in dem Lebensräume vernetzt und aufgewertet werden -und ganz viele Wohlfühloasen für Menschen, Tiere und Pflanzen geschaffen werden.

Der wünsche mir, dass der Gemeinderat am 11. April 2024 das Signal aussendet: Wir als Gemeinderat schätzen und schützen den öffentlichen Raum – für uns alle.

Zum Weiterlesen:

Kleinod bleibt voll eingebunden. Bericht über die Ablehnung des beantragten Zauns durch die Mehrheit des Gemeinderats, 11.4.2024

“Kleinod-Pflege: So geht’s”. Infos über Heckenpflege. Beleuchten der Vorteile und Risiken der Auslagerung der Pflege an eine Privatperson. 10.4.2024

Kleinod-Müll: Bescheidener Haufen. Untersuchung der Frage: Wie viel erspart sich die Gemeinde, wenn der Grundnachbar das Mülleinsammeln übernimmt. 9.4.2024

Veröffentlichung:

Änderungen:

  • 8.4.2024, kurz nach dem Freischalten. Abschnitt “Wem wollen wir Platz geben?”: Es wurde das Anliegen des Grundnachbarn präzisiert / der gewünschte Verlauf des Zauns noch näher erläutert (obere Hangkante statt untere Hangkante).
  • 9.4.2024: Hinzufügen Bild / Korrektur / Einfügen Link
    – Einfügen einer Karte mit mutmaßlichem Verlauf des Zauns.
    – Korrektur eines Fehlers im Abschnitt “Besser kein Zaun am oberen Hangende”: Abänderung von “keine klare Botschaft” in “eine klare Botschaft”.
    – Einfügen eines Links zum an diesem Tag zum selben Thema geschalteten Beitrag “Kleinod-Müll: Bescheidener Haufen
  • 10.4.2024: Einfügen Link
    – Einfügen eines Links zu dem an diesem Tag zum selben Thema geschalteten Beitrags “Kleinod-Pflege: So geht’s”
  • 14.04.2024: Einfügen Link
    Kleinod bleibt voll eingebunden. Bericht über die Ablehnung des beantragten Zauns durch die Mehrheit des Gemeinderats, der am 11.4.2024 veröffentlicht wurde
  • 24.04.2024: Einfügen von Informationen über die Art der am 14.04.2024 vorgenommene Änderung (Einfügen eines Links)

Datum letzte Änderung: