Es gibt viele gute und teils sehr unterschiedliche Gründe, sich für den Schutz von Natur, Umwelt und Tieren einzusetzen. Doch es gibt auch solche, die verbunden sind mit Menschen- und Demokratiefeindlichkeit. Deshalb ist es notwendig und wichtig, immer genau auf die Motive und Hintergründe zu schauen, warum sich jemand für bestimmte Themen einsetzt. Denn der Verzicht auf Demokratie und Menschenrechte kann und darf nicht der Preis für Natur- und Umweltschutz sein.
Klara Kauhausen & Yannick Passeick
Welchen Preis sind wir bereit, für unseren Einsatz für Umweltschutz zu zahlen? Opfern wir ihm unsere demokratischen Rechte, wie z.B. das Recht auf kritische Hinterfragung das Handelns unserer politischen Vertreter:innen? Oder sagen wir: Umweltschutz & Demokratie: Das ist untrennbar miteinander verbunden.
Meine Positionierung ist klar: Ich setze mich für eine Welt ein, in der alle einen wertgeschätzten Platz haben. Mein Einsatz für Natur- und Umweltschutz ist für mich daher untrennbar mit einem Engagement für die Gleichwürdigkeit aller Menschen verbunden. In anderen Worten: Die Natur ist für mich unermesslich wertvoll – und alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, Einkommen, Amt, Verwandtschaft, Beruf, Religion, Alter, Sexualität usw., sind es auch. Demokratie und gleiche Rechte (& Pflichten) für alle stehen im Zentrum meines Tuns.
In anderen Worten: Ich setze mich für Umweltgerechtigkeit ein – einen Umweltschutz, der nicht nur die Natur schützen will, sondern auch eine gerechtere Welt als Ziel hat. Für eine gerechtere Welt braucht es eine starke, funktionierende Demokratie. Wenn jemand sich für Umweltschutz einsetzt, ohne gleichzeitig auch für Grundrechte zu kämpfen, dann läuten bei mir die Alarmglocken.
Was ist eine starke Demokratie?
Für die Demokratie gilt dasselbe wie für alle anderen Lebensbereiche: Ihre Qualität kann nur dann gesichert und verbessert werden, wenn erlaubt ist, den Ist-Zustand zu hinterfragen. Eine starke Demokratie heißt daher für mich: Einerseits freuen sich die politischen Vertreter:innen über eine kritische Hinterfragung und kritische Fragen – weil sie an ihnen wachsen können. Anderseits fordert die Bevölkerung ganz selbstverständlich ein, dass sie kritisch hinterfragen und am politischen Entscheidungsprozess teilnehmen darf. Kurz: Beide Seiten sind kritikfähig. Eine starke Demokratie besteht aus kritikfähigen und mutigen Menschen, die Verantwortung für ihre Handlungen übernehmen.
Wie merke ich, ob die Demokratie an meinem Wohnort stark ist?
Ein Lackmustest für die Qualität der Demokratie in einem Ort ist für mich die Beantwortung folgender Fragen:
- Haben alle Menschen im Ort dieselben Rechte? Sind alle gleich wichtig – oder gibt es Menschen, die wichtiger sind als andere?
- Ist eine Kritik der Tätigkeit der Bürgermeisters / des Amtsleiters / der Gemeinderatsmitglieder / der Parteien ohne persönliche Nachteile möglich? Oder führt eine kritische Hinterfragung zu Dingen wie z.B. persönlichen Angriffe bzw. Herabwürdigung, einer Einstufung als “wirklich schwierige Person”, Ausgrenzung, weniger Engagement der Politiker:innen für Anliegen von kritischen Bürger:innen als von unkritischen, Verbreitung von Halbwahrheiten oder Unwahrheiten über kritische Bürger:innen durch politische Mandatar:innen? Falls Falschaussagen getätigt werden: Sind diejenigen, die sie getätigt haben, zu Ihrer Richtigstellung bereit?
- Setzen sich die Menschen, die sich für Umweltschutz engagieren gleichzeitig auch für einen wertschätzenden Umgang mit Menschen ein bzw. leben ihn vor? Oder machen sie abwertende, entwürdigende Aussagen über Menschen, die ihre Politik kritisch hinterfragen?
- Bilden sich Menschen im Ort eine eigene Meinung – für die sie die Verantwortung übernehmen? Haben sie den Mut, diese zu äußern?
Was heißt Umweltgerechtigkeit denn nun konkret?
Es heißt, dass alle Menschen gleich gut vor Umweltbelastungen geschützt werden. Das ist derzeit nicht der Fall. Menschen mit niedrigerem Einkommen und weniger politischer Macht wohnen z.B. häufiger neben umweltbelastenden Gewerbebetrieben als solche mit hohem Einkommen und viel politischer Macht. In Haag am Hausruck gibt es ein Asphaltwerk. Die mir vorliegenden Daten und meine Inspektion vor Ort zeigen: Es verursacht in den umliegenden Ortschaften Hinteregg, Pramwald & Reischau beunruhigende Umweltverschmutzungen (und auch darüber hinaus). In den hauptbetroffenen Ortschaften wohnen mehrheitlich Menschen, die – so weit ich das beurteilen kann – nicht über die höchsten Einkommen und die bedeutendsten Ämter von Haag verfügen. Ist das Problem der dortigen Umweltverschmutzung deswegen weniger dringlich? Natürlich nicht. Sich um diese Menschen mit genau derselben Priorität zu kümmern wie um alle anderen Gemeindebürger:innen: Das ist Umweltgerechtigkeit.
Welche Probleme gibt es in Bezug auf die demokratischen Aspekte der Umweltgerechtigkeit in Haag?
In Gesprächen in Haag/H. begegnet mir immer wieder die Angst von Menschen, dass ihnen nur dann geholfen wird, wenn sie sich nicht kritisch zur Gemeindepolitik äußern. Ist es gerecht, wenn Menschen, die sich kritisch äußern, Nachteile fürchten müssen: Nein.
Ist die Angst vor Benachteiligung nach kritischen Äußerungen zur Haager Gemeindepolitik denn nun auch wirklich begründet? Meiner Erfahrung nach: Teilweise nein, teilweise ja (siehe z.B. die herabwürdigenden Bemerkungen der Fraktionsobfrau nach kritischen Fragen zur Arbeit des Gemeinderats). Können wir die Situation verbessern, indem wir auf Kritik verzichten oder Kritik anderer nur deswegen nicht unterstützen, weil wir Angst vor der Reaktion des Bürgermeisters haben – und nicht weil wir inhaltlich nicht hinter der Kritik stehen: Nein. So verschlimmern wir sie vielmehr.
Wer also sich also in Haag für Umweltgerechtigkeit einsetzen möchte, kommt um eine kritische Beschäftigung mit demokratischen Fragen nicht herum.
Was heißt das nun für mein Engagement?
Am Beispiel Haag am Hausruck heißt es Folgendes:
Ich setze mich für ein Haag ein, in dem alle, unabhängig davon wo im Ort sie wohnen, eine hohe Lebensqualität genießen. Ich unterstütze Maßnahmen, die dies garantieren & fördern. Dazu zählen z.B. Tempo 30 an sensiblen Stellen, Maßnahmen zur Förderung eines sicheren Fahrradverkehrs im gesamten Ortsgebiet und der Erhalt wertvoller Grünflächen.
Ich setze mich für eine starke Demokratie in Haag ein. Ich setze mich dafür ein, dass eine kritische Hinterfragung der örtlichen Politik selbstverständlich ist, genauso wie sie fördernde Maßnahmen (z.B. Bürger:innen-Fragestunde). Ich setze mich für ein Haag ein, in dem der Satz “Man könnte den Bürgermeister ja nochmal brauchen” der Vergangenheit angehört. Ich setze mich für ein Haag ein, in dem alle sagen dürfen, was sie denken (oder darauf verweisen was andere kritische Menschen denken), ohne Nachteile fürchten zu müssen.
Ich setze mich für mich ein. Ich fordere meinen demokratischen Rechte ein. Ich benenne meine Grenzen und sage: Ich bin es wert, dass sie respektiert werden. Ich thematisiere Abwertungen von mir und die Verbreitung von Unwahrheiten über mich. Ich fordere Entschuldigungen für Grenzüberschreitungen ein. Ich setze mich ein für eine Demokratie, in der alle einen wertgeschätzten Platz haben. Inklusive mir.
Ich setze mich für Umweltgerechtigkeit in ein. Umweltschutz in einer starken Demokratie mit einem wertgeschätzten Platz für alle. Punkt.
Zum Weiterlesen:
AK-Studie Umweltgerechtigkeit – Betroffenheit und Verhalten, abgerufen am 10.08.2023
Website der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN), abgerufen am 10.08.2023
Auf dem Land ohne Auto leben, Der Standard, 11.08.2023, abgerufen am 11.08.2023