„Wir lesen unseren Kindern Märchen vor und sagen ihnen, dass es gute und böse Menschen gibt. (…) Das würde ich heute niemals mehr tun. Ich würde sagen, dass wir alle die Fähigkeit in uns tragen, Gutes zu tun und die Fähigkeit, schlechte Entscheidungen zu treffen. Wenn man jemanden liebt, muss man sowohl das Gute als auch das Schlechte in ihnen sehen.“ Sue Klebold
Wenn Tragödien wie der Amoklauf vom 20. April 1999 an der High School in Columbine passieren, ist die erste Frage der meisten Menschen: Warum? Sue Klebold, die Mutter eines der Amokläufer von Columbine meint in ihrem 2016 veröffentlichten Buch, dass das vielleicht die falsche Frage ist. Für sie ist die bessere Frage: „Wie?“
Als nach dem Amoklauf die Frage „Warum?“ im Zentrum des Interesses stand, so erzählt sie in einem Interview, endet das sehr schnell in Schuldzuweisunungen und einem von Wut geprägten Klima. Wenn wir hingegen „Wie?“ statt „Warum?“ fragen, so schreibt sie, dann konzentrieren wir uns auf den Prozess. Im Fall ihres Sohnes ist das: Wie verläuft der Weg von jemand, der einen Weg runterschlittert, der in Mord und Suizid endet? Wenn wir nämlich diese Frage stellen, so konzentrieren wird uns darauf, wo wir dieses Schlittern hätten bemerken – und eingreifen können. Wie schmerzhaft das ist, zeigt das Buch von Sue Klebold: Sie zeichnet die Zeichen der Depression ihres Sohnes nach – die sie nicht bemerkt hatte – und geht der Frage nach, wie sie sie hätte erkennen und reagieren können. Ein solcher Prozess ist schmerzhaft – weil wir uns dabei selber in Frage stellen – Fehler finden.
Andrerseits – und das ist es, warum ich Menschen wie Sue Klebold zutiefst dankbar bin – können wir glaub ich nur auf diese Weise wirklich aus unseren Fehlern lernen . Und dazu beitragen, dass unsere Welt eine menschliche(re) wird.
PS: Eine der Fragen, die sich Sue Klebold wünscht, dass sie Ihrem Sohn gestellt hätte ist: „Erzähl mir etwas von Dir, dass niemand versteht, aber dass bei dir Schmerz auslöst.“ Und dass sie dann einfach zugehört hätte – ohne zu unterbrechen oder zu erklären warum das (nicht so schlimmt) sei. Sondern stattdessen nach der Antwort gesagt hätte: „Erzähl mir mehr davon.“
Zum Nachlesen und -hören:
„Liebe ist nicht genug. Ich bin die Mutter eines Amokläufers„, Sue Klebod, Fischer Verlag, 2016, Taschenbuch: ISBN: 978-3-596-03431-4, E-Book: 978-3-10-403579-6
„A mothers reckoning. Living in the aftermath of the Columbine Tragedy„, Sue Klebold, WH Allen, 2016; ISBN: 978-0-753-556818
„My son was a Columbine shooter. This is my story„, Sue Klebold, TED talk, 27.02.2017
„Breakfast of Champions with Sue Klebold„, Interview bei einer Veranstaltung der St. Joseph’s Health Care Foundation, 29.06.2017.
„Sue Klebold’s Interview. Afterwords with Sue Klebold„, Gespräch mit Mary Giliberti, der Geschäftsführerin der National Alliance on Mental Illness (Nationales Bündnis für psychische Krankheiten, USA)