„Er legte jedem von uns einen Zettel hin und diktierte: „Etiam si omnes – ego non“. (…) Die Maxime, die er uns nach seiner Erinnerung damals vermacht hatte (…) gehöre in der Tat zu jedem wirklich freien Leben hinzu, die schöne lateinische Sentenz: „Auch wenn alle mitmachen – ich nicht.““
Aus: „Ich nicht. Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend“, Joachim Fest, 2006.
In seinen Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend im 2. Weltkrieg beschreibt Joachim Fest auf für mich sehr beklemmende Weise die Argumente der Mitläufer*innen des Nazi-Regimes – und der Druck der von ihnen auf die ausgeübt wurde, die sich nicht Arrangieren wollten. Beklemmend für mich deswegen, weil es mich an Dinge erinnert, die ich in Österreich erlebt habe – insbesondere in Situationen, wo ich Dinge nicht mittrug und -trage, die ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren kann. Das Buch – meine eigene Erfahrung – wirft in mir die Frage auf: Warum handeln wir so wie wir es tun? Wissen wir das? Können wir da wirklich dahinter stehen – oder übernehmen wir einfach die uns vererbte Argumentation, die da ist: Es gab ja keine andere Wahl. Und wenn Letzteres der Fall ist, erklärt das vielleicht warum so großer Druck ausgeübt wird auf die die eben doch was Andres wählen. Weil sie nämlich – so scheint mir – aufzeigen: Es geht (doch) auch anders. Und das stört. Weil es einem mit einem selber konfrontiert – und damit, dass man nie völlig ohnmächtig ist, sondern immer einen gewissen Spielraum hat: teil-mächtig ist. Und wenn alle ihre Teil-Macht nützen, dann ergibt das gemeinsam ganz viel Macht.