Dieser Tage ist viel von Solidarität die Rede – ein ganz wichtiger Wert für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Darum möchte ich heute einen Aspekt beleuchten, der in Bezug auf den Bodenschutz von zentraler Bedeutung ist: die bäuerliche Solidarität. Oder etwas konkreter ausgedrückt: Wie solidarisch – gegenüber Landwirt*innen – ist es eigentlich, wenn jemand, der landwirtschaftlichen Boden besitzt, diesen an ein Wirtschaftsunternehmen verkauft statt an Landwirt*innen? Wie solidarisch – gegenüber Landwirt*innen – ist es eigentlich, wenn ein Gemeinderat landwirtschaftliche Böden grossflächig als Betriebsflächen ausweist? Ist das gerechtfertigt oder anders gefragt: Wie viel zählt in Haag am Hausruck (und darüber hinaus) Geld – und wie viel Solidarität?
Es geht mir in diesem Beitrag um die Entscheidung: Verwende ich eine Fläche, um Lebensmittel zu erzeugen – oder versiegle ich sie, um ein Wirtschaftsunternehmen anzusiedeln? Bei der Diskussion dieser Frage ist für mich im Zusammenhang mit der Fragestellung “Landwirtschaftliche Böden oder Betriebsflächen” folgender Punkt zentral:
Es gibt in Oberösterreich jede Menge leerstehende Gewerbeflächen (siehe z.B. “Ö1: Der Boden und die Badewanne“). Trotzdem sehen Gemeinden in ihren örtlichen Entwicklungskonzepten grosse neue Betriebsflächen vor, dort wo heute noch landwirtschaftliche Böden sind – auch Haag am Hausruck.
Gewerbebetriebe nehmen der Gemeinde landwirtschaftliche Flächen weg. Sie verbrauchen Flächen, die Landwirt*innen zum Überleben brauchen – und wir alle für regionale Lebensmittel. Warum – wenn es doch um unser aller Überleben geht – wird die Ansiedlung von Gewerbebetrieben so oft als etwas per se Positives dargestellt? Warum ist bei diesen Diskussionen eigentlich nie von Solidarität mit Landwirt*innen die Rede?
Mir ist z.B. im Zusammenhang mit der Ansiedlung der Firma Biomin keine einzige Anfrage im Haager Gemeinderat bekannt, warum der Bürgermeister beantragt, dass seine landwirtschaftlichen Gründe in gewerbliche Flächen umgewidmet werden – anstatt sie Haager Landwirt*innen zu verkaufen. Auch bei der Diskussion im Gemeinderat bzgl. Verbauung des Grüngürtels waren derartige Fragen – gemäss den mir vorliegenden Infos – kein Thema.
Warum empfindet es der Gemeinderat als völlig normal, dass jemand landwirtschaftliche Gründe umwidmen will, um sie an eine Unternehmen verkaufen zu können – anstatt dass er/sie diese Gründe an einen noch aktiven Landwirtschaftsbetrieb im Ort verkauft?
Das örtliche Entwicklungskonzept der Marktgemeinde Haag am Hausruck weist grosse Flächen auf, die als zukünftige Betriebsflächen vorgesehen sind. Eine solche Entwicklung würde – wenn tatsächlich umgesetzt – nicht nur bedeutende Aufschließungskosten verursachen und das Ortsbild völlig verändern – indem so der Weg in Richtung potenziell durchgehender Betriebsflächen entlang der Umfahrung geebnet wird (siehe “Niedernhaag = Steinpoint = Umfahrung“). Sie würde auch grossflächig landwirtschaftliche Flächen vernichten.
Die Ansiedlung von Gewerbebetrieben auf der grünen Wiese wird durch Menschen ermöglicht, die diese Flächen an Unternehmen verkaufen – statt an Landwirt*innen.
Wie steht es also mit der gesellschaftlichen Solidarität in Bezug auf landwirtschaftlich genutzte Flächen? Im Gemeinderat? Bei den Grundbesitzer*innen? Bei den Landwirt*innen selber?
Ist uns das eine Diskussion wert? Mir schon. Darum habe ich diesen Beitrag geschrieben. Weil ich die Arbeit der Landwirt*innen schätze. Weil ich dank ihnen tagtäglich zu essen habe. Ich finde, dass sie es verdient haben, dass man ihnen den Boden verkauft, den sie dafür brauchen, dass sie auch morgen noch als Landwirt*innen überleben können – und wir mit ihnen.
Für mich ist es so: Dort wo Landwirtschaft betrieben wird, kann ich darüber diskutieren, wie sie zukunftsfähig (für Mensch & Umwelt) erfolgen kann. Dort wo landwirtschaftliche Böden versiegelt werden, kann ich das nicht. Ich will darüber diskutieren können, wie meine Lebensmittel zukunftsfähig produziert werden. Und dafür müssen die Flächen bewahrt werden, die für eine solche Produktion nötig sind.
Veröffentlicht am 13.12.2021
Zum Weiterlesen: Junge Familien für Haag: “Perspektive Landwirtschaft”
Zum Weiterhören: Podcast “#81 Landwirtschaft schafft Perspektive. Wer nichts weiß, muss alles essen”, abgerufen a 24.01.2022